Nachbarschaftshilfe für Opposition

Ungarischer Verlag veröffentlicht Enthüllungen eines rumänischen Ex-Geheimdienstlers über Ceausescu / Flugschrift der „Bewegung für ein freies Rumänien“ wird im ungarischen Parteiblatt abgedruckt  ■  Aus Budapest Roland Hofwiler

Viel hat er zu erzählen, der langjährige Chef der rumänischen Auslandsspionage und Staatssekretär im Bukarester Innenministerium Ion Mihai Pacepa. Von Staats und Parteichef Nicolae Ceausescu weiß er zu berichten, daß der zur Sanierung seines „osteuropäischen Armenhauses“ die Devise ausgibt: „Wir haben dem Westen dreierlei zu verkaufen: Öl, Juden und Deutsche.“ Mit den Juden und Deutschen treffe man zwei Fliegen mit einer Klappe: Man werde sie los und kassiere dafür. Der größte Teil der Kopfgelder, so der Ex-Geheimdienstler weiter, der mittlerweile zu den Amis überlief und unter neuer Identität in den Vereinigten Staaten leben soll, fließe auf ein Konto des Ceausescu-Clans in der Schweiz.

Überraschender noch als Pacepas Enthüllungen ist der Ort, an dem das alles aufgewärmt wird: Ein kommunistisches Verlagshaus in Budapest bereitet gerade Pacepas Erinnerungen als Bestseller vor. Unter dem Titel Roter Horizont wollen die ungarischen Kommunisten „Ceausescu als Tyrannen und Stalinisten entlarven“, wie ein Redakteur des Verlagshauses „Europa kiado“ gegenüber der taz erklärte. Pacepa, ein waschechter Rumäne und sicher kein Freund der über zwei Millionen Einwohner zählenden ungarischen Minderheit Siebenbürgens, plaudert aus, was jedem Ungarn auf den Nägeln brennt: wie Ceausescu seine repressive Minderheitenpolitik gegenüber den „mitwohnenden Deutschen, Juden und Ungarn rumänischer Nation“ begründet.

„Warum sollen wir nicht genau das gleiche tun wie Breschnew“, soll der fanatische Nationalist Ceausescu seine Maßnahmen gegen die nationalen Minderheiten begründen. Breschnew, weiß Ceausescu, vertrieb einst als Parteichef der Sowjetrepublik Moldau, jenes Gebiet, das die UdSSR den Rumänen am Ende des Zweiten Weltkriegs abgenommen hatte, mehr als eine Million Rumänen nach Sibirien. Pacepa weiß, daß Ceausescu die „sowjetische Landnahme“ nie verkraftet hat, und sieht darin einen Grund für sein trotziges Verhalten, eine von Moskau unabhängige Außenpolitik zu betreiben und sich gegen Glasnost zu sträuben. Diese Argumentation scheinen die kommunistischen Genossen in Ungarn mit dem Ex-Geheimdienstchef zu teilen. Am 2.Januar erlauben sie den Abdruck einer Flugschrift der „Bewegung fur ein freies Rumänien“ im Parteiblatt 'Magyar Nemzet‘. Der Sprecher dieser Bewegung, Mircea Bajan, der keinen Hehl daraus macht, daß es ihnen um den Sturz des Ceausescu -Regimes geht, erklärt in der Flugschrift, daß nur eine weltweite Isolation dem Bukarester Regime ein Ende bereiten könne. Tausende rumänische Staatsbürger, mehrheitlich Angehörige der ungarischen Minderheit, flüchten seit Monaten ins benachbarte „Bruderland“ Ungarn, um der Armut und Repression zu entkommen. Es sei deshalb notwendig, daß die ungarische Regierung diese Menschen nicht ausliefere, sondern sie als politische Flüchtlinge anerkenne, heißt es in der Flugschrift.

Verständnis hat Bajan für die Pläne der ungarischen Regierung, möglicherweise ein Auffanglager für Flüchtlinge aus Rumänien einzurichten, da Ceausescu unter den Flüchtlingsströmen mehr und mehr Provokateure und Spione einschleuse. Beobachter schätzen den Flüchtlingsstrom von Rumänien nach Ungarn 1988 auf bis zu 30.000 Personen.