SS-Totenruhe erwünscht

■ Wie das deutsch-italienische Verhältnis durch die Weigerung des bundesdeutschen Generalkonsuls in Milano belastet wird, einen SS-Mörder am Grabe zu ehren

Berlin (taz) - Wenn ein Inspekteur des Auswärtigen Dienstes ein Konsulat besucht, dann stehen gewöhnlich Konsequenzen an. Am Montag nächster Woche wird der Generalkonsul Manfred Steinkühler in Milano aufgesucht. Folgt man der 'FAZ‘ und der 'Neuen Bildpost‘, dann gibt es einen „Fall Steinkühler“. Die 'Neue Bildpost‘ wirft dem Generalkonsul „Entnazifizierung der Gräber“ vor; die 'FAZ‘ macht es subtiler und schreibt, er habe „frohlockt“ und mit „teutonischem Eigensinn bis zum Letzten (sein) Gewissen ins Spiel“ gebracht. Kurzum: Abberufung ist geboten, denn er stört das deutsch-italienische Verhältnis.

November letzten Jahres erschien Steinkühler nicht zur alljährlichen Feierstunde am Volkstrauertag auf dem deutschen Soldatenfriedhof Costermano (bei Verona), auf dem 21.951 Wehrmachtsangehörige begraben sind. Der Grund: Vorher war der Öffentlichkeit bekannt geworden, daß in diesen Gräbern auch drei der berüchtigtsten SS-Massenmörder gegraben liegen. Zu ihnen gehört der SS-Sturmbannführer Christian Wirth, der „wilde Christian“. Seine Karriere: Aktion T4, Organisation der Gaswagen (Aktion Reinhardt), Leitung des Vernichtungslagers Belzec, dann Treblinka. Zum Kriegsschluß war er in dem hierzulande weniger bekannten Vernichtungslager San Sabba (bei Trieste). Der Senator und ehemalige Widerstandskämpfer Boldrini, Präsident der ANPI (Organisation ehemaliger Widerstandskämpfer) erklärte, daß Akte der Versöhnung auf diesem Soldatenfriedhof nicht akzeptierbar seien, solange jene Verbrecher auf dem Friedhof ruhen. Der Bürgermeister von Verona übermittelte die Besorgnis der Regierung in mehreren Briefen an den italienischen Ministerrat. Italienische Zeitungen berichteten in großer Aufmachung über den Fall und die Bedenken von Steinkühler. Aber die italienische Unterstützung, die der Generalkonsul fand, machte ihn offenbar erst recht zum „Fall“ fürs Außenamt, zumal in der Bundesrepublik eine Front von 'FAZ‘, der Kriegsgräberfürsorge und der 'Neuen Bildpost‘ agierte. Steinkühler hat in deutschen Augen die „Totenruhe“ ('FAZ‘) und die Ruhe im deutsch-italienischen Verhältnis gestört.

KH