Diepgen muß vor den Ausschuß

Staatssekretär leidet im Berliner Verfassungsschutzskandal unter Gedächtnisschwund  ■  Aus Berlin Till Meyer

Bis kurz vor Mitternacht tagte gestern der Vorstand der Berliner Rechtsanwaltskammer hinter verschlossenen Türen. Einziges Thema: Der Inhalt eines Gesprächs vom 24. Mai 1988 zwischen Berlins Innensenator Kewenig (CDU) und dem Präsidenten der Anwaltskammer Borck. Borck wollte seinerzeit von Kewenig wissen, ob Presseberichte zutreffen, daß in der Kanzlei eines Verteidigers im Schmückerverfahren Mitte der 70er Jahre ein V-Mann des Verfassungsschutzes gesessen hat. Kewenig habe sich immer im Konjunktiv ausgedrückt, so Borck gestern gegenüber seinen Anwaltskollegen, gleichwohl gehe er, Borck, davon aus, das die Presseberichte zutreffen. Statt aber den brisante Vermerk über das Keweniggespräch dem betroffenen Rechtsanwalt zugänglich zu machen, verschwand er erstmal im Aktenschrank der Kammer. Die Vorständler sprachen dem Kammerpräsidenten das Vertrauen aus und entschieden dem Betroffenen Rechtsanwalt den Vermerk über das inhaltsvolle Gespräch zwischen Kewenig und Bork zugänglich zu machen.

Wenig Klärung brachte auch die gestrige Sitzung des Untersuchungsausschuß zum Komplex der Bespitzelung des SPD Abgeordneten Pätzold durch das Amt. Pätzold schilderte wie der Ex-V-Mann Telschow im November dreimal Kontakt zu ihm gesucht hatte und welchen Eindruck er dabei gehabt habe. „Er wollte, daß ich mit dem Innensenator spreche und dieser öffentlich erklärt, daß er, Telschow, nicht für den Verfassungsschutz arbeitet.“ Nach dem zweiten Teltschow -Besuch habe Pätzold den Senator angessprochen und ihm von seinem Verdacht erzählt. Kewenig habe darauf mit starken Worten reagiert und den Verfassungsschutz beschimpft: „Diese Idioten!“ Dennoch sei Telschow ein drittes mal bei ihm aufgetaucht und habe danach erneut seinem V-Mann Führer von dem Gespräch berichtet. Resüme des SPD-Abgeordneten: „Telschow ist in Abstimmung mit seinem V-Mann-Führer zu mir gekommen, um mich auszuhorchen“. Das allerdings bestritt vehement der nächste Zeuge, Kewenigs Staatssekretär Müllenbrock: „Bereits am 4. Oktober hat der Senator die Weisung an das Amt gegeben, zu Telschow sofort die Taue zu kappen“. Aber erst sieben Wochen später will man beim Innensenat erfahren haben, daß Telschow noch immer vom Amt geführt wird. „Alle zeigten sich betroffen, das diese Kontakte zwischen dem Amt und Telschow entgegen der Weisung Kewenigs dennoch weitergeführt wurden“, erklärte der Staatssekretär jetzt. Am 28.11.88 sei er, Müllenbrock, dann selbst ins Amt gefahren und habe alle Beamten, die mit dem Komplex zu tun haben, disziplinarische Konsequenzen angedroht, wenn nicht sofort die „Taue gekappt würden. Ansonsten litt der Staatssekretär häufig und Gedächnisschwund. So konnte er sich auch nicht mehr daran erinnern, wann er mit dem Bürgermeister Diepgen über den Fall Telschow gesprochen hat. „Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob es vor oder nach Weihnachten war“, erklärte er. Das allerdings wollte die SPD dann doch genauer wissen, und hat jetzt Diepgen (CDU) und Kewenig für Montag vor den Ausschuß geladen.