Kampf der SPD um die Bäuche

■ Linke SPD-Politiker kritisieren eigene Wahlplakate als unpolitisch / Wahlmanager Nagel: „Leckt mich am Arsch“ / SPD will über den Bauch in den Kopf / Nagels Vorbild sind die professionellen CDU-Dackel

„Seicht„“ sei das Plakat und „oberflächlich“, mäkelt der SPD -Politiker Michael Barthel. Barthel, einer der acht Beisitzer im Landesvorstand, kann den zwei Kindern nichts abgewinnen, die über die Mauer hinweg sehnsüchtig aneinander vorbeiblicken. „Ein kleines Erschrecken“ fuhr auch dem Abgeordneten Edel in den Bauch, als er sah, daß die Mauerkinder als erstes von insgesamt drei Motiven plakatiert wurden. Edel ist Vorsitzender des (linken) Schöneberger Kreisverbandes, dem auch Barthel angehört und der in den letzten Monaten immer wieder unzufrieden war mit der Strategie des Wahlkampfleiters Nagel. Barthel zu den Plakaten: „Mehr Werbegrafik als Politik.“ Genau darauf ist Nagel stolz. „Das Mauer-Plakat geht viel mehr über den Bauch“, freut er sich. Mit einem professionellen Grundsatz der modernen Kommunikationswissenschaft will Nagel ran an den Speck: „Die Sache muß über den Bauch in den Kopf.“ Gegen den Obrigkeitsstaat a la Kewenig, für „Berlin als Hauptstadt der Selbstverwirklichung“ (Nagel) soll als nächstes ein Bild mit Polizist und Punk-Frau werben.

„Dieser Freiheitsbegriff entspricht nicht sozialdemokratischer Tradition“, findet dagegen der Schöneberger SPD-Stadtrat Saager. Inhaltsleer seien die Plakate, kritisieren viele Frauen aus der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen. „Es gab Dispute“ mit Nagels Wahlkampfstab, bestätigt die AsF -Vorsitzende Ingrid Holzhüter. Die Inhalte der SPD hätte die Partei den Menschen schon im letzten Jahr mit mehreren Kampagnen nahegebracht, meint dagegen Nagel. Jetzt sollen die SPD-Plakate, ebenso die Fernseh-Spots, „Stolpersteine“ sein. Das Ziel, meint der Wahlmanager, sei schon erreicht. Über das Mauer-Plakat werde nachgedacht, die Leute riefen häufig an, wollten loben, fragen. Häufig besuchten Bürger die SPD-Zentrale in der Müllerstraße, um sich ein Mauer -Plakat abzuholen. „Keine Inhalte“, diese Kritik käme nur aus der Partei. Nagel: „Das ist die eingeengte Sicht von Parteifunktionären.“ Mit den „hausbackenen“ Rezepten von Leuten wie Barthel habe die SPD oft genug Wahlen verloren. O -Ton Nagel: „Die können mich alle am Arsch lecken“.

Barthel spricht von einer „Entmündigung des Landesvorstandes“: nie durfte er über die Plakatideen mitentscheiden. Die Plakatideen entwickelte Wahlmanager Nagel mit einem zehnköpfigen Wahlkampfstab. Auf den ist Nagel (44) stolz: „Alle Mitglieder sind jünger als ich.“ So gering Nagels Begeisterung für SPD-Traditionalisten ist, so groß ist das Lob für die Konkurrenz: „Das mit den Dackeln im CDU-Wahlkampf vor vier Jahren, das war sehr professionell.“

hmt