Sikhs drohen nach Hinrichtungen mit Rache

■ Hinrichtung der beiden wegen Mordes an der indischen Ministerpräsidentin Gandhi zum Tode verurteilten Sikhs / Alarmbereitschaft in fünf indischen Bundesstaaten /Internationale Juristenkommission und ai hatten noch um Gnade gebeten /Generalstreik im Punjab

Neu Delhi (afp) - Nach der Hinrichtung der wegen Mordes an der indischen Ministerpräsidentin Indira Gandhi verurteilten beiden Sikhs haben aufgebrachte Glaubensgenossen in einem Vorort der indischen Hauptstadt Delhi Nahverkehrsbusse angegriffen und Ladenbesitzer zum Schließen ihrer Geschäfte gezwungen. Wie die Polizei berichtete, wurden mindestens drei Busse in dem Vorort Tilak Nagar beschädigt. In Neu Delhi sowie in fünf indischen Bundesstaaten waren bereits vor der Hinrichtung die Sicherheitsvorkehrungen verschärft worden, nachdem militante Sikhs schon am Donnerstag Vergeltungsmaßnahmen für den Tod der beiden Glaubensgenossen angekündigt hatten.

Satwant Singh und Kehar Singh waren am Freitag morgen in einem Hof des Hochsicherheitsgefängnisse Tihar in Neu Delhi in Anwesenheit eines Richters und eines Arztes gehenkt worden. Alle Versuche, doch noch Gnade für sie zu erlangen, waren am Vortag vor dem Obersten Gerichtshof des Landes engültig gescheitert.

Die Leichen der Hingerichteten wurden nach offiziellen Angaben sofort entsprechend den Sikh-Riten eingeäschert. Ihre Überreste sollten den Verwandten jedoch nicht ausgehändigt werden, da Unruhen militanter Sikhs bei Trauerfeiern befürchtet werden.

Der 24jährige Satwant Singh war einer der zwei Sikh -Leibwächter, die Indira Gandhi in ihrer Residenz am 31.Oktober 1984 erschossen hatten, vier Monate, nach dem sie die Erstürmung des höchsten Sikh-Heiligtums, des Goldenen Tempels in Amritsar, angeordnet hatte. Ein anderer Leibwächter und Attentäter, Beant Singh, wurde von paramilitärischen Kommandos kurz nach dem Anschlag erschossen. Der 57jährige Kehar Singh wurde als Mitverschwörer zum Tode verurteilt. Sein Sohn Rajinder Singh erklärte nach der Urteilsvollstreckung: „Sie haben einen Unschuldigen getötet. Das ist der schwärzeste Tag in der Geschichte Indiens.“

Auch die Internationale Juristenkommission mit Sitz in Genf hatte sich aus humanitären Gründen für eine Begnadigung der beiden Sikhs eingesetzt. Im Fall von Kehar Singh liege zudem möglicherweise ein „schwerer Irrtum der Justiz“ vor. „Es gibt für seine Schuld keinen überzeugenden Beweis“, erklärte der Generalsekretär der Kommission Niall MacDermott in Genf. Auch amnesty international (ai) hatte ein Gnadengesuch für die beiden Sikhs an die indischen Behörden gerichtet.

In der heiligen Stadt der Sikhs Amritsar im nordindischen Bundesstaat Punjab blieben die Straßen am Freitag weitgehend frei von Autos und Verkehr. Schulen und Universitätsseminare blieben geschlossen. Ein Generalstreik infolge der Ermordung eines Politikers der lokalen Opposition lähmte die Stadt, in der die Läden geschlossen blieben, berichteten Einwohner. Auch in anderen Teilen des Punjab, wo Sikhs seit sechs Jahren für einen unabhängigen Staat Kalistan kämpfen, war der Verkehr nach Angaben lahmgelegt. Die Polizei hatte höchste Alarmbereitschaft. Insbesondere die Sikh-Tempel standen unter strenger Bewachung.