North-Ankläger wirft Handtuch

Staatsraison wichtiger als Aufklärung im Verfahren gegen die Hauptfigur der Iran-Contra-Affäre  ■  Aus Washington Stefan Schaaf

Oliver North kann sich ein letztes Mal bei den US -Geheimdiensten für ihre Unterstützung bedanken. Deren Weigerung, zu seiner Verteidigung vor Gericht benötigte Dokumente freizugeben, hat am Mittwoch den Prozeß gegen die Hauptfigur der Iran-Contra-Affäre faktisch platzen lassen. Sonderankläger Lawrence Walsh ersuchte deshalb den zuständigen Richter Gerhard Gesell, die beiden wichtigsten Anklagepunkte gegen North fallenzulassen. Der Iran-Contra -Prozeß, der am 31.Januar beginnen soll, ist damit seines politischen Kerns beraubt und hat sich mit einem Schlag in ein Verfahren verwandelt, in dem es nur noch um geringfügige Einzelaspekte von North‘ Aktivitäten geht. North‘ Anwalt Brendan Sullivan jubelte, das „Herz des Falles“ sei zerstört. North und Sullivan war noch vor kurzem von Richter Gesell vorgeworfen worden, mit exzessiven Forderungen nach brisanten Regierungsdokumenten den Prozeß zum Scheitern bringen zu wollen. Noch in den letzten Tagen hatten North‘ Anwälte spektakuläre Zeugenvorladungen an Präsident Reagan, Vizepräsident Bush sowie mehrere Kabinettsmitglieder ergehen lassen.

In den beiden fallengelassenen Anklagepunkten war North zum einen Diebstahl, zum anderen die Fortsetzung auf Seite 6

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Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen worden, die das Ziel verfolgt habe, dem Staat zustehende Güter vorzuenthalten. Mit diesem komplizierten juristischen Begriff hatte Ankläger Walsh die Abzweigung von zwölf Millionen Dollar der Profite aus den geheimen Waffenverkäufen an den Iran gemeint. Das Geld sei von North und den drei mitangeklagten Iran-Contra-Figuren unautorisiert für private

Zwecke und für die Contra zweckentfremdet worden. Übriggeblieben sind Vorwürfe wegen Zerstörens von Dokumenten - North hatte Berge von geheimen Unterlagen in einem Reißwolf deutscher Güreklasse vernichten können, bevor das FBI im November 1987 sein Büro versiegelte -, wegen falscher Aussagen vor Kongreßausschüssen und wegen des Annehmens von Geschenken, vor allem eines Sicherheitszauns um sein Grundstück außerhalb von Washington. North droht auch dafür theoretisch noch eine Gesamtstrafe von 60 Jahren Ge

fängnis. Mitglieder der Reagan-Administration waren erleichtert über Walshs Schritt. Justizminister Thornburgh begrüßte, daß so eine Gefährdung von Staatsgeheimnissen vermieden werden könne. Auch von der Opposition im Kongreß, die schon im Untersuchungsausschuß vor einem Jahr die Staatsraison höher bewertet hatte als die Aufklärung des Iran-Contra-Skandals, waren lobende Worte zu hören. Selbst Arthur Lyman, der leitende Anwalt des Iran-Contra -Ausschusses, sagte, er habe in der damaligen Untersuchung von Regierungsgeheim

nissen erfahren, die wohl „kein Bürger veröffentlicht sehen“ wolle.

Damit ist der dritte und wohl wichtigste juristische Versuch, Licht ins Dunkel der Aktivitäten der Reagan -Administration im Mittleren Osten und in Zentralamerika zu bringen, gescheitert. Im Juni 1988 setzte ein Richter in Miami einen Zivilprozeß gegen 29 Angeklagte, darunter Contra -Führer und Irangate-Akteure, wegen des Bombenattentats von 1984 auf Eden Pastora ab. Das Anwaltkollektiv „Christic Institute“ in Washington, das mit dem Prozeß eine weitreichende Verschwörung

beweisen wollte, hat gegen die Absetzung des Verfahrens Berufung eingelegt. Ebenfalls am Mittwoch dieser Woche ließ die Staatsanwaltschaft in New York überraschend die Anklage in dem seit mehr als zwei Jahren geplanten Prozeß gegen zehn internationale Waffenhändler fallen, die für mehr als zwei Milliarden Dollar Kriegsgüter an den Iran verkaufen wollten. Sie hatten behauptet, mit Billigung von US-Regierungskreisen gehandelt zu haben und seit Bekanntwerden der Iran-Contra -Affäre eine Einstellung des Verfahren gefordert.