For politics and entertainment

■ Die Bühne der San Francisco Mime Troup für die freie Theaterszene Bremens Freiraum-Theater entwickelt Stück über 1789 darauf

Die Bühne steht schon da, das Stück wird noch kommen. Die Bühne hat die „San Francisco Mime Troup“ nach ihrem letzten Gastspiel im Mai 87 in der Bremer Uni stehen lassen, weil das sperrige Ding nur per Schiff zurück nach Kalifornien transportierbar wäre.

So hat das Wunderwerk mit Podien, kleinen Plattformen, Fallöchern und diversen Auf- und Abgängen, zerlegt in siebenunddreißig immer noch sperrige Einzelteile, in universitas‘ Rumpelkammer ausgeharrt, bis sie jetzt ihrer neuen Bestimmung übergeben wurde.

Prof. Dieter Herms, Vorsitzender der Gesellschaft für angewandte Anglistik und Amerikanistik, übergab sie der „Freien Theaterscene Bremens“ zu würdiger Weiterverwendung. Die Mime Troup, schon 1980 und 1981 in der Bremer Uni bejubelt, hat, so Helms, 1988 einen Preis bekommen „for politics and entertainment and grooving in the parcs“. Diese Art von Volkstheater-Tradition sieht Helms auch in Bremen, sie soll mit der Bühne weitergegeben werden.

Die Idee hat im „Freiraum-Theater“ eingeschlagen. Das Theater in der Grundstraße nimmt die schwarze Bühne der Mime Troup zum Ausgangspunkt, um den herum es sein neues Stück bauen wird, ein Stück über die Französische Revolution, deren 200. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Jürgen Müller-Othzen, Gründer des und Lehrer am Freiraum-Theater, knüpft damit an die „Regenbogen-Kultur“ des anderen Amerika an, für das die Mime Troup steht. Mit der Vorstellung vom anderen Europa, das mit der freien, weitgehend unsubventionierten Theaterscene entsteht. Die freien Theater hier, findet Müller-Othzen, sind in Gelddingen zu schüchtern. Im Freiraum orientiert man sich lieber an der kühnen Naivität der Mime Troup, die sich zuerst einmal eine Bühne bauen läßt und dann überlegt: Wie transportieren wir das. Wenn das 1789-Stück später auf Reisen

nach Südfrankreich gehen soll, dann muß eben ein Auto her, in das die Bühne hineinpaßt.

Vorerst aber gibt es zu dem Stück die Inspiration, Materialien und ein im Oktober nagelneu gegründetes Ensemble. Außer Müller-Othzen („JÜMÜ“) gehören dazu Barbara Weste, Anna Bushard, Reinhold Schäfer, Stephan Pleyn, Lür Mertens und Stefan Wiemers, alle erprobt und hervorgegangen aus den beiden großen Halbjahresstudios des Freiraum -Theaters, dem „Großen Hohngelächter“ nach Dario Fo und dem Templox-Improvisationstheater vom Sommer 88.

Von dem Stück ist gewiß bis jetzt nur eins: daß am 14. Juli, am Tag des Sturms auf die Bastille,

Uraufführung sein soll. Und: es soll kein Geschichtstheater werden, sondern ein Stück über die heutige Zeit. Die Bühne, die bei unverkleidetem Unterbau wie das Gestänge der Guillotine aussieht, hat die Mimen des Freiraum auf das Töten als zentrales Thema verwiesen, auf die Freude an öffentlichen Guillotinierungen. Aber nicht nur auf die Tötungslust der anderen, sondern auf die eigene. Würden wir töten und wie? Und was, assoziiert Müller-Othzen, ist mit dem Photoapparat, mit dieser schwarzen Maschine, die nach dem Muster der Guillotine etwas später Köpfe in Rahmen einspannte und von etwas abschnitt? Die Bühne ist bereit, das Stück entsteht.

Uta Stolle