Seh'n oder Nichtseh'n

■ III nach 9 aus dem Parkhotel: Fischmenschen vor knatterndem Kaminfeuer

Nun hatte „III nach 9“ zum zweiten Mal die Gelegenheit, statt aus dem öd-schrägen Studio-Bühnenbild aus dem Haute -volee-Milieu des Parkhotel-Kaminsaals zu senden - und was wurde draus gemacht? Das Parkhotel von außen, am Anfang und am Ende - das war's. Kein Raumeindruck, nur kleinpflastrige Bildausschnittchen, oft brauchten die Kameras schläfrigkeitssekundenlang, um jemanden, der dazwischenfragte, ins Bild zu kriegen. Und wenn er oder sie dann endlich vor die Linse kam, klappte der Mund fischartig -lautlos auf und zu, weil die Tontechnik schlief oder schlampte. Dafür durchknatterte das Kaminfeuer störend die Gespräche derer, die in seiner Nähe saßen - ein bißchen viel Bild-und Ton-Dilettantismus auf einem Haufen. Und das, obwohl in der Choreographie dieser Talkshow eine gewisse Lockerheit herrschte, das übliche starre Zweier-Schema der Gespräche von den Moderatoren manchmal durchbrochen wurde und sie sich wechselseitig mit eigenen Fragen in die Gespräche einschalteten. Aber diese Öffnung in eine Gesprächs-Lebendigkeit nützt wenig, wenn die Bildinszenierung schwerfällig hinterherhinkt und dann noch der Ton nicht kommt.

Zum Glück klappte es wenigstens, als sich Renee Zucker in Michael Geyers Gespräch mit dem dickbäuchigen, gummihautglatten Fecht-Trainer Emil Beck einmischte. Es war ihre Glanzminute an diesem Abend, als sie mit hinterhältigem Charme die längst überfällige Frage stellte: „Die Fechterinnen, die Sie trainieren, sind doch sehr schlanke Mädchen. Und Sie sind ja'n bißchen moppelig - sind denn die Mädchen nicht viel schneller als Sie?“

Im übrigen war Renee Zucker in ihrer zweiten Talkshow noch etwas unsicher, und es erwies sich leider als großer Fehler, daß sie das Gespräch mit den zwei katastrophalen, ausgehöhlten Fossilien Fritz Teufel und Rainer Langhans führte. Wenn man sich so gut kennt wie sie die beiden, wenn man also private Fragen stellt, deren Antwort man schon kennt und nur noch herauskitzeln will - dann kann das nur danebengehen. Und es ging gründlich daneben, auch und vor allem, weil Fritz Teufel und Rainer Langhans sich stur und stumm gebärdeten, als hätten sie wunder was Tiefsinniges zu verbergen, dabei dünsteten sie bloß die pure Leere aus. Fritz Teufel eher mitleiderregend, Rainer Langhans hingegen wichtigtuerisch und selbstgefällig. Und Renee Zucker konnte sich leider partout nicht lösen vom unergiebigen Insider -Klatsch-Konzept, das sie sich ausgedacht hatte. Auch ihr Gespräch mit Maren Kroymann und Felix Huby war etwas zu plätscherig, verunglückt schlüpfrig und recht belanglos. Trotzdem steckt in Renee Zucker, bei aller Anfangsunsicherheit, eine künftige Talkshow-Moderatorin, deren halb taktvoll-tastender, halb frech-direkter und selbstbewußt charmierender Gesprächsstil bei Gästen allerhand wird zutage fördern können.

Ganz anders Axel Corti, der mit raumgreifender Eitelkeit agiert: Geradezu zornerregend war seine Gönnerhaftigkeit der „Gesprächsanregerin“ Lily Szenasi gegenüber, von der er hartnäckig verlangte, sie solle mit ihm eins ihrer Gespräche simulieren - und das auch noch mit der ständig unausgesprochenen Suggestion, diese reizend-höfliche Frau habe irgendwelche halbseidenen Bedürfnisse zu befriedigen oder hätte sich mindestens vor solchen Anliegen in acht zu nehmen. Der feine Herr Corti gab sich erhaben über seine eigenen schmutzigen Phantasien und rutschte trotzdem erbärmlich darin aus.

Sybille Simon-Zülch