Thyssen und Preussag im Libyen-Geschäft?

■ Britische Zeitung 'Observer‘ berichtet über die Beteiligung weiterer deutscher Firmen an der umstrittenen Chemie-Fabrik in Libyen In Paris finden Shultz und Genscher vorläufigen Kompromiß / Expertentreffen soll mehr Material aus US-Geheimdienstquellen erhalten

Paris/London (taz/dpa) - In dem deutsch-amerikanischen Streit um die angebliche Chemiewaffen-Fabrik in Rabta/Libyen ist es einerseits zu einer vorläufigen Beruhigung gekommen, andererseits sind in der angesehenen britischen Zeitung 'Observer‘ neue Berichte über weitere deutsche Firmen aufgetaucht, die an dem Unternehmen in Libyen beteiligt sein sollen.

Der Sonntagsausgabe des 'Observer‘ zufolge ist der in London lebende Iraker Dr.Ishen Barbouti für die zivile Ausrüstung des umstrittenen Chemiewerkes im libyschen Rabta verantwortlich gewesen. Dessen in Zug in der Schweiz ansässige Firma „Ishen Barbouti International“ (IBI), die auch eine gleichnamig Niederlassung in Frankfurt haben soll, hatte bereits 1984 den Vertrag zur Ausrüstung des gesamten Fabrikkomplexes übernommen. Der Komplex Rabta, wo, wie die USA behaupten, chemische Waffen hergestellt werden, umfaßt eine Gießerei, ein Kraftwerk, eine Metallurgiefabrik, mehrere Lagerhallen sowie ein Chemiewerk. Sollten in dem Werk wirklich chemische Waffen produziert werden, so fährt der 'Observer‘ fort, müsse Barbouti keineswegs von einer geplanten militärischen Nutzung der Fabrikanlagen gewußt haben.

Als Zulieferfirmen für IBI haben nach dem Bericht des 'Observer‘ auch rund 25 westdeutsche Firmen an der zivilen Ausrüstung der Anlage mitgewirkt. Darunter seien die Preussag AG in Darmstadt mit einer Wasserbehandlungsanlage und Thyssen in Dinslaken mit Materialien für die Wand-und Deckenbekleidung gewesen. Nach Kenntnis der taz existiert tatsächlich in Dinslaken (Nordrhein-Westfalen) der Thyssen -Betrieb „Bausysteme GmbH“, ebenso konnte ein Preussag -Ableger in Darmstadt bei Frankfurt bestätigt werden.

In Paris kündigten US-Außenminister Shultz und sein Amtskollege Genscher am Rande der C-Waffen-Konferenz das Treffen einer deutsch-amerikanischen Expertengruppe an, die in der kommenden Woche in Washington zur Prüfung neuer „Informationen“ aus Washington über die behaupteten Libyengeschäfte der Firma Imhausen tagen soll. Damit ist offensichtlich ein vorläufiger Kompromiß gefunden, bei dem beide Seiten das Gesicht wahren können. Genscher rechnet offensichtlich nicht mehr mit Beweisen, die Bonn in Bedrängnis bringen könnten, und erklärte „den Fall für abgeschlossen“.

Ein Mitglied der US-Delegation bemerkte, jetzt müsse „Helmut Kohl, der beste Verbündete der USA, erst einmal geschont werden“. US-Kreise wiesen jedoch in Paris darauf hin, daß der US-Geheimdienst über „hieb- und stichfeste Beweise“ für Libyengeschäfte der Firma Imhausen via Hongkong und andere Drittländer verfüge. Diese seien bislang vom Geheimdienst „aus Gründen des Quellenschutzes sowie möglicher Gefährdung der nationalen Sicherheit der USA“ noch nicht freigegeben und nach Bonn weitergeleitet worde. Wegen des sensiblen Materials finde das Expertentreffen auch in Washington und nicht in Bonn statt.

Gaddafi hat am Samstag abend rund 250 ausländische Journalisten nach einer zweifelhaften Besichtigung der umstrittenen Chemiefabrik in Rabta des Landes verwiesen. Die Journalisten waren erst nach Einbruch der Dunkelheit in mehreren Bussen ohne Halt über das Fabrikgelände gefahren worden. Einige von ihnen wollen neben der Fabrik einen Container mit der Namensaufschrift eines deutschen Industrie -Unternehmens gesehen haben.

Andreas Zumach/Rolf Paasch Siehe auch Bericht Seite 6