UNiMUT gegen Fremdbestimmung

In Berlin diskutieren StudentInnen auf dem bundesweiten UNiMUT-Kongreß über „Alternativen zur Fremdbestimmung„/ Fader Auftakt am Freitag / Sonntag war „Feministische Wissenschaft“ Thema  ■  Aus Berlin Ursel Sieber

Die gemütlichen Weihnachtsferien sind für die streikenden Studenten und Studentinnen vorbei: Von Freitag bis Sonntag fand in Berlin der bundesweite UNiMUT-Kongreß statt, mit dem die Fortsetzung des Streiks zum offiziellen Wiederbeginn des Semesters nach Weihnachten machtvoll eingeläutet werden sollte. Heute soll der Kongreß mit einem „Aktionstag“ zu Ende gehen. In dieser Woche wollen alle Fachbereiche abstimmen, ob der Streik an der Freien und Technischen Universität in Berlin weitergehen soll. Am heutigen Montag morgen sollten Busse gestoppt werden, mit denen studierwillige MedizinstudentInnen unter Polizeischutz zu ihren Praktika gebracht werden. Die Polizei hatte in der vergangenen Woche bereits ein FU-Institut sowie die Technische Fachhochschule (TFH) geräumt. Am späten Sonnabend haben in der Innenstadt rund 2.000 Leute gegen die Räumung demonstriert.

An den drei Podiumsdiskussionen und autonomen Seminaren der vergangenen drei Tage haben sich einige tausend StudentInnen beteiligt. Die Auftaktveranstaltung zum Thema „Universität und Gesellschaft“ war allerdings eine Enttäuschung. Sie besaß keinen roten Faden, die heutige Rolle der Universität für gesellschaftliche Veränderung wurde gar nicht diskutiert. Wolfang Nitsch, ehemaliges SDS-Mitglied und heute Soziologie-Professor in Bremen, lobte die StudentInnen für ihre unerwartete Aufmüpfigkeit und sagte, für ihn sei es eine „Ehre“, zum Kongreß eingeladen worden zu sein. Die Motive für den Protest beschrieb Nitsch so: Die StudentInnen stünden vor der Perspektive, schon während ihrer Ausbildung an der Entwicklung der „Destruktivkräfte“ mitwirken zu müssen. Der Protest ziele „gegen die Kultur des lärmenden, mulitmedialen Beschweigens der Zustände, die Auschwitz, die Gulags, Hiroshima, Tschernobyl möglich machen“. Der Bremer Physiker Jens Scheer, früher ebenfalls im SDS, sagte, die StudentInnen müßten sich gegen Expertentum richten; die Aufgabe emanzipatorischer Wissenschaft bestehe darin, die „Rückgabe der Wissenschaft an das Volk zu organisieren“. Ausgebuht wurde er für seine Vorstellung, angesichts des Zustands der Grünen die Tradition der „Sozialistischen Konferenzen wieder zum Leben zu erwecken“.

Etwas konkreter fiel der zweite Kongreßtag aus, der vollständig dem Thema „Feministische Wissenschaft und Patriarchat“ gewidmet war. Die Professorin Tina Thürmer-Rohr betonte, feministische Wissenschaft sei immer auch Gesellschafts- und Herrschaftskritik. Daß aus einer Universität die Forderung nach Quotierung, feministischer Forschung und Lehre so laut erhoben werde, sei „ein ermutigendes Zeichen“. Sie erntete allerdings Pfiffe, als sie hinzufügte, die Forderung nach einer Quotierung sei „eine Provokation und keine im Moment realisierbare Geschichte“. Den Studentinnen versuchte sie mit den Worten Mut zu machen, sie seien eine neue treibende Kraft an der Universität.

Die Podiumsdiskussion am gestrigen Vormittag richtete den Blick auf die Verbindung zum „Widerstand“ außerhalb der Universität, wobei das Podium recht beliebig zusammengesetzt war. Ein Jugend- und Ausbildungsvertreter erzählte vom Kampf der Stahlkocher in Rheinhausen gegen die Schließung der Stahlhütte; Teresia Degener stellte verschiedene Aktionen der Krüppel- und Behindertengruppen vor und kritisierte, daß die Forderung nach einer behindertengerechten Universität auch in diesem Streik keine wesentliche Rolle spiele; Christiane Eiffert vom Netzwerk berichtete über Bestrebungen, das Selbstverständnis alternativer Projekte zu „repolitisieren“. 'Konkret'-Redakteur Oliver Tolmein warnte davor, mit dem Begriff „Widerstand“ allzu großzügig umzugehen, und stellte den StudentInnen die Frage, ob die Mobilisierung zusammenbreche, wenn es keine Scheine gebe, wenn die Polizei eingreife und „Leute in den Knast einfahren“. Protestbewegungen hätten in der Bundesrepublik immer auch einen „Modernisierungsschub“ ausgelöst, und das Ziel des Streiks dürfe sich nicht darin erschöpfen, eine „bessere“ universitäre Ausbildung zu erlangen.