Furcht und Elend des Zwischendecks

■ In den noblen Hallen der Sparkasse am Brill: Die Ausstellung „Bremen und Bremerhaven als Auswandererhäfen“, zu besichtigen zwischen Einkauf und Kontoabhebungen

Kühler Edel-Boden (irgendwie steinern) dämpft den Schritt, gleich linker Hand findet sich die gewiß komfortabelste Telefonzelle der Hansestadt (prächtig geräuschgedämpft, wasserdicht und mit eigenem Lichtschalter), hölzern schwummern am Rand die Insignien des wohlanständigen Bankhauses: Informationsschalter und Kassenhäuschen. Manche haben dunkelrote Nobel-Taue zur diskreten Abgrenzung finanzgeschäftiger Kundschaft und Goldschrift-Schilder zur Angabe ihres Sinn und Zwecks: Change oder Information.

Sehr hübsch hier. Unterm Milchglasdach tut die Sparkasse gern einmal vornehm.

In der Eingangshalle zu solch samtpfötig wohlhabender Alte -Kaufmannsfamilien-Buddenbrooks-Gediegenheit tappt man seit gestern vor 29 Stelltafeln, die Schwarzweißdezentes kundtun zur Bedeutung Bremens und Bremerhavens als Auswandererhäfen. Der auswandernde Mensch als Transportgeschäft, Vorläufer moderner Passagierschiffahrt oder schlicht als armes Schwein - eine Ausstellung des Fördervereins Deutsches Auswanderermuseum Bremerhaven, zu begucken vom 9. bis 27. Januar '89.

Und tatsächlich schluffen auf dem Weg zu Kontoauszug oder Kleinkredit die einen oder anderen Herrschaften meist höheren oder schulaufsatzverdächtigen Alters vor die Tafeln zu Furcht und Elend des Zwischendecks. Oder auch zum Glanz der Bremer Schiffahrtslinien oder der Eigentümer von Matratzenlagern. Auf Tafel 8 (gesammelte Anzeigen zur Zielgruppe Auswanderer) blitzt da ein Mini-Gefühl für 19. -Jh.-Alltag zwischen den altdeutschen Schriftzeichen. An solchen Stellen macht das Ausgestellte Spaß.

Wenn man etwa auf Tafel 6-7 erfährt, daß die Bremer Verordnung von 1832 Auswanderern im Hafenstadt-Vergleich den größtmöglichen Schutz vor Abzok-kern, Geschäftemachern und sonstigen Neppern verabreichte, oder daß Bremen 1851 ein „Nachweisungsbureau für Auswanderer„ einzurichten beliebte, oder daß seit der Weserversandung im 16. Jh. Auswanderer in offenen Weserkähnen auf einer 3-Tage -Schiffahrt vom Martini-Anleger nach Bremerhaven geschifft wurden, was eine schlimme Strapaze gleich zu Beginn der mächtig weiten Reise war - wenn man solches hört, dann findet auch meine per reformierter Oberstufe geschichtsentfremdete Generation einen Zugang zu den alten Bildchen.

Während Kummer, Elend und Alltag der Emigranten lediglich

auf Tafel 5, 13, 14 und 24 und dort wenig ergreifend wiedergegeben werden, ist der eigentliche Reiz der Ausstellung der Entdecke-Deine-Stadt-auf-historischen -Fotos-Trieb.

Ob die Auswandererhallen zwischen Walsroderstraße und Hemmstraße in Findorff heute noch stehen? So sah der Bahnhof um 1910 rum aus? Und Lloyd wurde schon 1857 gegründet, bastelte sich die erste Dampfschiffahrtsverbindung nach New York und wurde damit im großen Auswanderer-Geschäft schon 1882 zur viertgrößten Dampfschiffahrtsgesellschaft Europas.

So war das. Tafel 26 bis 29 bieten die Nachkriegszeit, in der Auswanderer auf Flugzeuge umstiegen und Hafenstädte an Bedeutung entschieden einbüßten. Und das alles zum Kontoauszug.

Petra Höfer