Yuppie, Yuppie jeeehder hat's

■ Im Ostertorviertel einem eingeborenen Stamm auf der Spur: Erkundungen über Jugendmoden von A wie Arbeiterschuh über Dr. Martens bis Z wie „Gegen Nazis“. T-Shirts, Aufnäher, Schirmmützen...

Es war wie im Ethnologischen Museum. Der auskunftsfreudigen Museumsführerin, erst seit einem Jahr angestellt und außerdem, wie sie einschränkend feststellte, auch vom Lande, waren die Gegenstände, die sie verwaltet, auch stets voller Rätsel geblieben.

Mit Bestimmtheit wußte sie, daß nur sehr bestimmte Kleidungs-und Schmuckgegenstände jeweils Teil der Kultur des fraglichen Stammes bildeten. Eindeutig und generell ließ sich aber feststellen, daß alles englischen Ursprungs sein muß und daß dies mit den Musiknationen zusammenhängt, an die sich die Stammesangehörigen anschließen.

Das Englische muß nun, wenn es sich um Schuhwerk handelt, den Namen Martens unter der angeblich luftdurchlässigen Plastiksohle eingeprägt tragen, welches für englische Arbeitsschuhe von Dr. Martens steht. Wenn es sich um T-, Sweat-oder die beliebten Kapuzen-Sweatshirts handelt, muß es von Lonsdale sein und dies auch original außen aufgeprägt haben. Imitate gibt es auch, die sind bei H & M um mehr Mark billiger, aber bar des beseligenden Originalaufdrucks. Seit einem Monat hat sich acidzum neuen Renner entwickelt, auf einmal werden T-Shirts, Hosenträger, Aufnäher, Schirmmützen mit Smileys drauf verlangt und umgesetzt.

Wir, die Verkäuferin und ich, stehen im Red Moon, dem „Rock-Pop-New-Wave-Shop“ an der Sielwallkreuzung. Der Laden ist

im Grunde eine schlauchähnliche Ecke, die vom Udopea abgeteilt ist, einem Spezialitätenladen für Hologramme, Pfeifen u.a. kultische Gegenstände, weiteren Krei

sen durch die Plünderung Silvester 1987/88 bekannt. Die wenigen Quadratmeter des Red Moon sind vollgestopft mit kultischen Gebrauchsgegenständen, also

Textilien des Stammes der Schüler und, etwas weniger, aber auch: der Schülerinnen, jener eingeweihten Gesellschaft zwischen zwölf und zwanzig, die sich hier mit original englischen Markenartikeln aus dem Reiche von Rock und Pop eindeckt, traumwandlerisch zielsicher und an Kaufsignalen sich orientierend, die die 24-jährige Verkäuferin schon nicht mehr erreichen.

Warum zum Beispiel der zierliche Junge, der jetzt im Laden ist, unbedingt und nichts als die klobigen aber sauteuren englischen Arbeiterschuhe von Dr. Martens mit der Stahlplatte über den Zehen haben muß, verrät er nicht. Die Preise jedenfalls von 130 bis 180 Mark sind nicht Hindernis, sondern Fakt.

Beobachten läßt sich weiterhin, daß der Stamm in Schulzeiten nachmittags einkauft, in Ferienzeiten vormittags und in Weihnachtszeiten mit den Mamas, weil da größere Investitionen zu tätigen sind. Die Mütter lassen sich in solche unterteilen, die bereit sind, die ACDC-, Motörhead-oder Gegen Nazis-„Aufnäher aufzunähen und solche, die es nicht sind. Sie sind am Verlangen nach Aufklebern erkennbar, die es aber nicht gibt. Die Produzenten setzen noch auf weibliche Zuarbeit.

Apropos: Wegen „Gegen Nazis. für Freundschaft und Völkerverständigung“ bin ich überhaupt in den Laden geraten. Im Fenster hängt nämlich über den Schuhen von Dr. Martens mit der luftdurchlässigen Plastiksohle, den Eidechsimitierenden Spitzstiefeletten, neben den Nieten und Conchos (sehr begehrt, auch zur Einzelapplikatur)-Gürteln, dem blauen Kleid aus oben Stretch und unten Tüll und dem Zweiteiler aus Stretch, das Teil zu 89, hängt also -ein weißes T-Shirt, auf dem eine markige Faust ein Hakenkreuz zertrümmert: „Gegen Nazis.“

Das Hemd ist neu im Sortiment und läuft noch nicht recht, im Unterschied zum mit dem gleichen Emblem. Red Moon -Betreiber Martin Rabe habe nichts daran verdienen wollen, verkauft sie deshalb zu einer Mark, die Konkurrenz im Sphinx nimmt vier. Kaufen tun sie Kinder aus Oberneuland, die im Laden das große Geld lassen, und skinheadverzehrende Punks gleichermaßen. Die anderen Aufnäher kosten um die 6 Mark und bieten ausschließlich Musikgruppen oder Flaggen, englisch oder südstaatenamerikanisch (für die harten Countryrocker), zur Identifikation an.

Uta Stolle