Kaum Interesse an Wahrheitsfindung

■ Staatsanwaltschaft und Amtsgericht beenden juristisches Nachspiel zum Tod bei der Breminale ohne Sachverhalt ausreichend geklärt zu haben / Nebenkläger ausgetrickst

BREMINALE 1987: 30.000 BremerInnen hatten sich am 20. September beidseits der Weser eingefunden, um die große Abschlußveranstaltung, das „Feuer-Wasser-Klang-Corso“, auf dem Fluß zu beobachten. Die Veranstaltung endete für einen Besucher mit dem Tod. Eine Seenot-Rettungs-Rakete, abgeschossen vom linken Weserufer traf einen 31jährigen, der auf dem Osterdeich stand, in den Oberbauch. Der Mann starb kurz darauf im Krankenhaus.

Ein spektakulärer Tod, für den drei Männer, die links der Weser mit dem Leuchtkörper hantiert hatten, die Verantwortung übernahmen, unbescholtene Bürger, so Amtsrichter Rathke, der die juristische Beurteilung des Falles beinahe zwei Jahre später still und leise abschloß und das auf eine durchaus unübliche Art und Weise.

Bereits im Juli wurde ohne öffentliche Hauptverhandlung ein Strafbefehl erlassen. Zwei der drei Männer wurden wegen fahrlässiger Tötung zu je 3.600 Mark verurteilt, ausgesetzt auf Bewährung. Außerdem müssen sie an

die Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger eine Buße von je 750 Mark überweisen. Der dritte Beschuldigte wurde freigesprochen.

„Die Angehörigen sind schockiert und finden, daß das ein Skandal ist“, meint Rechtsanwalt Bernd Thomsen, der als Nebenkläger für die Eltern auftreten sollte. Eine Nebenklage aber ist nur möglich, wenn die Hauptverhandlung eröffnet wird. Überhaupt wurde der Anwalt außen vor gehalten. Obwohl er schriftlich gebeten hatte, ihm nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens die Akten zuzusenden, mußte er im November noch einmal nachhaken. Erst dann erfuhr er, daß das Verfahren bereits mit Strafbefehl erledigt worden war.

Thomsen hat auch Zweifel, ob die Staatsanwaltschaft alle Möglichkeiten genutzt hat, den Sachverhalt aufzuklären. So seien beispielweise keine Zeugen gehört worden, die sich in der Nähe des Bootes befanden, von dem aus die Rakete abgefeuert worden war. Ein weiterer Kritikpunkt: Es fehle die Stellungnahme eines Gutachters, ob sich bei der von

den Angeklagten vorgetragenen Version des Tathergangs die Rakete tatsächlich habe lösen können. Die Männner hatten in ihren Aussagen bei der Staatsanwaltschaft zwar zugegeben, daß sie die Absicht hatten, eine Seenotrettungs-Rakete abzuschießen. Das Unglück sei dann aber dadurch verursacht worden, daß ein Wassersportler den Steg betreten, diesen zum Schwanken und dadurch denjenigen der die Rakete hielt aus dem Gleichgewicht gebracht habe. So habe sich der Abschußmechanismus gelöst.

Weitere Behauptung: Da sie nicht englisch sprächen, hätten sie die Bedienungsanleitung nicht lesen können. Auch das war für Anwalt Thomsen kein stichhaltiges Argument, da die Männer bei der Segelscheinprüfung zumindest theoretisch in den Umgang mit Rettungsraketen unterwiesen worden seien und zudem einen Waffenschein besäßen. Fazit: „Die Staatsanwaltschaft hatte kein besonderes Interesse an der Aufklärung des Sachverhaltes.“

Eine Statistik, wie oft bei fahrlässigen Tötungen in Bremen so verfahren wurde, wird bei der

Staatsanwaltschaft laut Auskunft des Behörden-Sprechers, Klaus Lettau, jedoch nicht geführt. Ungewöhnlich ist allerdings auch für Lettau, daß selbst die Geldstrafe

zur Bewährung ausgesetzt wurde. Und: „Die Herstellerfirma hätte vielleicht gefragt werden können, ob es so zu dem Unglück kommen konnte.“

hbk