Prozeß gegen Action Directe eröffnet

Vier Mitglieder der linken französichen Untergrundorganisation wegen Ermordung an Renault-Chef Besse vor Gericht / Angeklagte übernehme politische Verantwortung für den Mord  ■  Aus Paris Georg Blume

Zwar sitzen die Scharfschützen wieder auf den Dächern des Pariser Justizpalstes, denn so schreibt es das Protokoll für Sonderprozesse nunmehr vor. Doch schon während der Polizeikontrollen am Eingang des Schwurgerichtssaales herrscht nicht mehr der gleiche unerbittliche Ton der Vorjahrsprozesse gegen Action Directe. Selbst die „antiterroristischen“ Hetztiraden der Pariser Boulevardpresse waren in den vergangenen Tagen weniger hitzig als 1988.

Zum dritten Mal wurden gestern die vier „historischen“ Führungsmitglieder der französischen Untergrundorganisation „Action directe“ (AD) Jean-Marc Rouillan (36 Jahre), Nathalie Menigon (31), Joelle Aubron (29) und Georges Cipriani (38) einem nur aus Berufsrichtern zusammengesetzten Sonderschwurgericht vorgeführt. Nachdem die Angeklagten im vergangenen Frühjahr bereits zu zehn Jahren Freiheitsentzug wegen der Beteiligung an einer „kriminellen Vereinigung“ und Rouillan bzw. Menigon in Einzelprozessen zu weiteren Haftstrafen von 13 bzw. 12 Jahren verurteilt wurden, besteht die Anklage heute erstmals auf einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Verhandelt wird nunmehr über den tödlichen Anschlag vom 17.November 1986 auf den damaligen Renault-Chef Georges Besse.

Standen die Prozesse im vergangenen Jahr unter dem Zeichen eines insgesamt 116tägigen Hungerstreiks der Angeklagten den diese nur aufgrund der gerichtlich verordneten Zwangsernährung überlebten-, so scheinen sich die vier AD -Mitglieder in diesem Jahr keine besondere Prozeßstrategie vorgenommen zu haben.

Auch heute noch sitzen die vier angeklagten AD-Mitglieder in Isolationshaft. Ohne daß es zu Eingriffen und Handgreiflichkeiten der Polizei kam, wie noch im letzten Jahr üblich, betraten die Angeklagten gestern nachmittag den Schwurgerichtssaal und verweigerten zunächst jede Erklärung. Auf der Verteidigerbank nahmen inzwischen die beiden bundesdeutschen Anwälte Wolfgang Konauer und Dieter Adler neben ihren französischen Kollegen platz.

Aus juristischer Sicht präsentiert sich das jetzige Verfahren klarer als je zuvor als einer der seit 1986 in Frankreich eingeführten Sonderprozesse für „Terroristen“. U.a. in dem „Hungerstreik-Prozeß“ gegen AD im vergangenen Jahr, bei dem man die Angeklagten bedingunglos, ungeachtet ihrer Gesundheitslage, vor Gericht vorführen ließ, sah sich die die französische Regierung offensichtlich noch gezwungen, die Strategie von Staatsanwaltschaft und Gericht mitzubestimmen. Heute wird dies schon aufgrund der entspannteren politischen Lage nach den Präsidentschaftswahlen nicht mehr erforderlich sein, zumal die Anklage über genügend Beweismaterial verfügt.

Im Fall Besse gibt es aufgrund des vorliegenden Materials so wurde die Waffe, mit der auf Besse geschossen wurde, im Haus der Angeklagten gefunden - kaum Zweifel an der tatsächlichen Täterschaft der Angeklagten. Diese haben nach einem ersten Bekennerbrief im Februar 1987 - während des bisherigen Untersuchungsverfahrens ihre „politische Verantwortung“ für den Mord an Besse eingestanden.