Genscher fordert weltweites C-Waffen-Verbot

Auf der Pariser Chemiewaffenkonferenz verlangt Genscher „Verdachtskontrollen“ der Chemiefabriken aller Länder / US-Außenminister Shultz spielt die sowjetische C-Waffen-Zerstörung herunter und bestätigt US-Produktion neuer Chemiewaffen  ■  Aus Paris Andreas Zumach

Zu deutlichen Worten an die Adresse Washingtons nutzte Bundesaußenminister Genscher seinen gestrigen Auftritt vor der internationalen Pariser Chemiewaffenkonferenz. „Vorrangige Aufgabe“ sei ein „weltweites, überprüfbares Verbot der Produktion und Lagerung chemischer Waffen“. „Noch bestehende technische Probleme“ bei den Genfer Verhandlungen dürften „nicht zum Alibi für die Aufgabe dieses Ziels werden“. Wie am Sonntag die Außenminister Italiens und der UdSSR, Andreotti und Schewardnadse, forderte Genscher „alle Staaten auf“, sich zwecks Verhinderung heimlicher Giftgasproduktion „uneingeschränkten Verdachtskontrollen der Chemiefabriken auf ihrem Territorium zu unterwerfen“. Ohne die USA namentlich zu erwähnen, listete Genscher damit exakt die Punkte auf, bei denen die Reagan-Administration seit Ende 1987 die Genfer Verhandlungen um einen weltweiten Chemiewaffenbann blockiert.

US-Außenminister Shultz bemühte sich bei einem Pressegespräch am Sonntag abend, die Bedeutung der dieses Jahr beginnenden sowjetischen Chemiewaffenzerstörung herunterzuspielen, die Schewardnadse am Sonntag vor der Konferenz angekündigt hatte. Unter Hinweis auf die Toole -Versuchsanlage im Bundesstaat Utah erklärte er, die USA habe mit der Zerstörung ihrer Vorräte „bereits begonnen“. Er räumte jedoch ein, daß darüberhinaus noch keine fertigen Anlagen für die Vernichtung der in acht Depots in den USA sowie in der Bundesrepublik gelagerten US-Kampfstoffe existieren und daß die USA - im Unterschied zur UdSSR neue, binäre Chemiewaffen produziere. Dies sei eine Entwicklung, die - so Chemiewaffenexperten - im Ergebnis zu einem zwar umfangmäßig drastisch reduzierten, jedoch weit effektiver einsetzbarem Arsenal führen werde und daher mit „Abrüstung“ wenig zu tun habe.

Zu scharfen Wortwechseln kam es auf der Konferenz zwischen den Außenministern Israels und Iraks, Arens und Aziz. Arens warf Irak den Chemiewaffeneinsatz gegen Iran und die Kurden vor, woraufhin Aziz Israel den Einsatz von Chemical Mace gegen Palästinenser in den besetzten Gebieten vorwarf. Auf einer Pressekonferenz schloß Arens ausdrücklich nicht aus, daß Israel über chemische Waffen verfügt und erklärte auf entsprechende Fragen: „Wir haben alle notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen gegen Chemiewaffenbedrohung durch andere Staaten getroffen.“

Irans Außenminister Velayati bestritt die Feststellung des UN-Generalsekretärs de Cuellar, wonach sein Land über Chemiewaffen verfüge. De Cuellar hatte dies in seinem im Juli 1988 veröffentlichten Report über Chemiewaffeneinsätze im Golfkrieg festgestellt. Velayati beharrte darauf, daß die unter wesentlicher Mithilfe der Firma Hoechst in der Nähe von Teheran gebaute Chemieanlage ausschließlich der Pestizidproduktion diene. Dieser Darstellung widersprechen Erkenntnisse unabhängiger Experten, wonach diese Anlage inzwischen zu einer Chemiewaffenfabrik umgerüstet wurde.

Während der Rede von Südafrikas Außenminister Botha verließen die Delegierten aller afrikanischen Staaten den Saal.

Bis gestern nachmittag konnte sich ein von allen Teilnehmerstaaten beschickter Ausschuß nicht auf ein gemeinsames Abschlußdokument einigen. Ein Entwurf Frankreichs, der der taz vorliegt, enthält keinerlei Erwähnung atomarer Waffen und ist daher für die meisten Dritt-Welt-Staaten unakzeptabel. Peru und andere Staaten drängen auf die Verabschiedung eines konkreten Datums, bis zu dem sich die Genfer Abrüstungskonferenz auf einen Chemiewaffenvertrag einigen soll. Kuba versucht mit Blick auf die jüngsten Attacken der USA gegen Libyen eine Verurteilung „aggressiver Akte“ im Text durchzusetzen.