Deutsche Firmen schwer belastet

US-Offizieller bestätigt Verwicklung von 25 bundesdeutschen Firmen in Libyen-Geschäft  ■  Von Zumach & Bornhöft

Paris/Berlin (taz) - „Die Geschichte trifft zu.“ Mit diesen Worten kommentierte ein führendes Mitglied der US-Delegation bei der Pariser Chemiewaffenkonferenz gestern Berichte, wonach 25 bundesdeutsche Firmen, darunter die Preussag AG und Thyssen, am Bau der Chemieanlage im libyschen Rabta beteiligt waren. Der Reagan-Regierung zufolge soll die Anlage der Chemiewaffenproduktion dienen. Nach Auskunft des US-Beamten seien an führender Stelle regelmäßig immer dieselben 20 bis 25 westeuropäischen Firmen an Lieferungen beteiligt, die in verschiedenen Empfängerländern zum Bau von Chemiewaffen-Fabriken beziehungsweise zur Herstellung von Chemiewaffen beigetragen hätten. Die USA könnten „300 solcher Lieferungen belegen“. In 240 Fällen seien bundesdeutsche Firmen die Lieferanten gewesen, in 40 Schweizer und in 20 Fällen österreichische Unternehmen.

Die USA belassen es offensichtlich nicht bei dem zwischen Genscher und US-Außenminister Shultz für kommende Woche vereinbarten Expertentreffen in Washington zur Prüfung von Informationen hinsichtlich der Rolle der Firma Imhausen beim Libyengeschäft. Nach einem Treffen mit dem sowjetischen Außenminister Schewardnadse erklärte Shultz am Sonntag abend in Paris, er habe Schewardnadse entsprechende Informationen übergeben und dieser habe einer Überprüfung durch Moskau zugesagt. Schewardnadse bezeichnete dann allerdings noch am Montag die von den USA vorgelegten Beweise für die Existenz einer Giftgasfabrik in Libyen als nicht ausreichend. Bei seiner Abreise aus Paris sagte er: „Der amerikanische Außenminister hat mir Baupläne gezeigt, aber das beweist nichts. Ich habe ihm gesagt, daß es sich um schwere Anschuldigungen handele, und daß man Beweise brauche. Ich habe hinzugefügt, daß es jetzt am wichtigsten sei, die Lage nach dem Luftzwischenfall zu stabilisieren.“

Alle in Zusammenhang mit dem Bau der umstrittenen Chemiefabrik in Rabda genannten westdeutschen Unternehmen haben gestern jede Beteiligung energisch bestritten. Fortsetzung auf Seite 2

Thyssen-Konzernsprecher Lutz Dreesbach sagte der taz: „Wir haben niemals auch nur nur ein Gramm nach Libyen geliefert.“ Auch die Preussag AG und die Siemens AG wollen keinen Heller an der Chemiefabrik verdient haben.

Daß dennoch alle drei Firmen von einer britischen Zeitung und von der

'Welt‘ als mutmaßliche Lieferanten für die Giftküche genannt wurden, erschien den Befragten größtenteils „rätselhaft“. Eine Erklärung präsentierte Preussag-Sprecher Friedrich Meyer. Seinen Angaben zufolge hat die Darmstädter Preussag -Niederlassung 1987 eine Trinkwasseraufbereitungsanlage laut Hersteller nur zur Entsalzung von Brunnenwasser geeignet- in den libyschen Ort Garian geliefert. Dort, fünf Kilometer von Rabda entfernt, entsteht ein „Technologie -Center“, an dem mehrere westdeutsche Firmen beteiligt sind. Als Kontaktmann für (europäische) Betriebe fungierte jener Iraker Ihsan Barbouti, der auch die Lieferanten für die Chemiefabrik von Rabda ansprach. Vermutlich über ihn oder sein Imperium liefen die Kontakte 1985 zu Thyssen. Damals führte Thyssen-Dinslaken Gespräche über die Lieferung von „Dach- und Wandelementen“ für das Technologie-Center, so Dreesbach. Der Auftrag

sei indes an „Finanzierungsschwierigkeiten“ gescheitert.

Ins Geschäft dagegen kam Siemens: man lieferte ein „Modul für die Schaltanlage der Trinkwasseranlage von Preussag“, sagte Konzernsprecher Horst Siebert der taz. In beiden Fällen sei der Export ordnungsgemäß vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Eschborn genehmigt. Für gewisse Hektik in der Münchener Zentrale sorgte unterdessen gestern ein Siemens-Container, der auf Fernsehbildern aus der Chemie -Anlage Rabda zu sehen war. Dazu Siebert: „Mit der Chemie -Fabrik hat Siemens nichts zu tun. Der Container muß von einer aufgelösten Baustelle stammen. Das kommt vor. Wir wissen nur noch nicht, was da drin war.“

Offiziell freigesprochen vom (US-) Verdacht der Libyen -Connection wurde gestern die Hamburger Zweigniederlassung der Exportfirma Pen-Tsao-Materia-Medica-Center. Wie die Oberfinanzdirektion Ham

burg gestern mitteilte, habe eine Überprüfung der Firma keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß sie chemische Anlagen oder Planungsunterlagen für den Bau einer Chemiewaffen -Fabrik nach Libyen ausgeführt habe.