EbLT übernimmt Hochschulpolitik

■ Erneut Knüppeleinsätze der Polizei gegen StudentInnen / Polizei-Sondertruppe EbLT auf dem Campus / „Studierwillige“ fordern Abzug der Hundertschaften / Zwischenprüfung von JuristInnen verhindert / AL und SPD fordern Sondersitzung des Wissenschaftsausschusses

Die Knüppeleinsätze der Polizei gegen streikende StudentInnen gingen gestern im Universitätsviertel mit unverminderter Härte weiter. Auf dem Campus wurde erstmals die berüchtigte Sondereinheit EbLT eingesetzt. Dabei wurden zahlreiche StudentInnen verletzt, vier Personen festgenommen und drei ins Krankenhaus eingeliefert. Augenzeugen berichteten, daß ein Student bewußtlos geschlagen worden sei. Die Polizei meldete sieben verletzte Beamte. Trotz des 400 PolizistInnen großen Aufgebots gelang es auch gestern nicht, die Zufahrtswege zur physiologischen und anatomischen Abteilung der Medizin befahrbar zu machen. Wie am Montag mußte den Streikbrechern und Angestellten eine „Gasse“ durch die Menschenketten geprügelt werden. Die BVG stellten am Nachmittag ihren Bustransfer für Studierwillige ein. FU -Präsident Heckelmann kündigte an, auch in den weiteren Tagen Polizei anzufordern.

Über 70 MitarbeiterInnen des Institutes für Molekularbiologie und Biochemie in Dahlem forderten gestern in einem offenen Brief an Heckelmann den sofortigen Abzug der Polizei aus dem Uni-Viertel. Sie lehnen es ab, das Institut unter Polizeischutz zu betreten, da nicht ausgeschlossen werden könne, daß Menschen verletzt würden. Der Brief, der von der großen Mehrheit der sogenannten „Mittelbauer“ unterzeichnet wurde, ist auch von drei Professoren unterschrieben worden. Einen im Tenor ähnlichen Brief haben auch studierwillige StudentInnen der Rechtsmedizin und Psychosomatik verfaßt. Auch sie fordern den Abzug der Polizei.

Eine Zwischenprüfung für etwa 500 JuristInnen, die gestern

-ausgelagert - in einem Marienfelder Gymnasium stattfinden sollte, wurde von etwa 1.000 StudentInnen verhindert. Nur etwa 20 konnten geprüft werden. Die Polizei, die präsent war, griff nicht ein.

Während sich alle Institute der Freien Universität in den letzten beiden Tagen für eine Weiterführung des Streiks aussprachen, brechen die Mathematiker, Chemiker und Physiker der Technischen Universität den Lehrboykott ab. Die notwendige Zweidrittelmehrheit, die für eine Fortsetzung notwendig gewesen wäre, wurde nicht erreicht. Die Ingenieurswissenschafter, Informatiker, und Sozialwissenschafter der TU wollen jedoch weiterstreiken. Die Abstimmungen gehen heute weiter.

Unstimmigkeiten gibt es zwischen dem Präsidenten der FU, Heckelmann, und dem Leiter der FU-Pressestelle, Dr. Johannes Schlootz. Schlootz distanzierte sich gestern öffentlich von einer Mitteilung des 'FU-Pressedienstes‘ vom Montag, wonach „der Lehrbetrieb an der FU wieder aufgenommen sei“. Schlootz in einer Erklärung: „Ich teile mit, daß diese Meldung weder von mir, noch von Mitarbeitern der Presse und Informationsstelle verfaßt, versandt oder bearbeitet wurde.“ (Siehe auch Interview mit Heckelmann auf dieser Seite)

Die Polizeieinsätze auf dem Campus sind indes von mehreren Organisationen und Parteien kritisiert worden. Die SPD und die AL haben jetzt eine Sondersitzung des Wissenschaftsausschusses für nächsten Montag beantragt. Der hochschulpolitische Sprecher der SPD, Dr. Hans Kremendahl, erklärte, die Polizeieinsätze drohten zu einer nicht verantwortbaren Eskalation zu führen.

Ein „Ende der studentischen Boykottaktionen durch politische Entscheidungen“ forderte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Burkhard von Walsleben. Die Polizisten müßten „wieder einmal ihre Köpfe für politische Fehlentscheidungen hinhalten“, erklärte er.

Die FDP gab zum besten, daß „weder Polizeieinsätze noch studentischer Vandalismus einen Beitrag zur Lösung der aktuellen Probleme leisten können“.

Auch der Senat beteuerte gestern „Gesprächsbereitschaft“. Der Senat wolle sich bei dem weiteren Eingreifen der Polizei „auf das absolut notwendige Maß beschränken“.

Heute findet ab 17 Uhr eine Demonstration der StudentInnen und SchülerInnen gegen die Polizeieinsätze statt. Der Protestzug formiert sich am Wittenbergplatz.

ccm/cb/beho/bf Siehe auch Seite 18