: „Kriminell ist, wer die Revolution will“
Verteidigerplädoyers in Düsseldorf: „Wer sich zur Militanz bekennt, soll als RAF-Mitglied verurteilt werden“ / Indizien der Bundesanwaltschaft entwertet / Angeklagte forderten Zusammenlegung der Gefangenen ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht hat die Verteidigung der vier Angeklagten der Bundesanwaltschaft am Dienstag in ihren Plädoyers vorgeworfen, ein politisches Gesinnungsurteil anzustreben. „Der Kern des Prozesses“, so die Anwältin Fried, sei, daß derjenige, „der sich zur Militanz bekennt, als RAF-Mitglied verurteilt werden soll“. Es solle hier „etwas anderes bestraft werden, als die eigentliche Tat. Kriminell ist jeder, der die Revolution auch nur will, und wer dazu noch Militanz akzeptiert, ist Mitglied der RAF“.
Wie berichtet, hat die Bundesanwaltschaft gegen die vier Anklagten wegen Mitgliedschaft in der RAF und Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag Haftstrafen zwischen fünf und zwölf Jahren beantragt. Den Angeklagten Norbert Hofmeier, Barbara Perau und Karl-Heinz Thoene werfen die Bundesanwälte vor, „als kämpfende Einheit Crespo Cepa Gallende“ im August 1986 den Anschlag auf die Bundesgrenzschutzanlagen in Swisdcal/Heimerzheim verübt zu haben. Hofmeier soll für zwölf Jahre, Thoene und Perau je neun Jahre in den Knast. Dem vierten Angeklagten Thomas Richter, gegen den fünf Jahre Haft beantragt wurde, wirft die Bundesanwaltschaft neben der Mitgliedschaft in der RAF die Ausspähung des Leiters des Aachener Frauenhofer-Instituts vor. Auf das Institut war Wochen später ein Anschlag verübt worden.
In ihrem Plädoyer wiesen die Verteidiger am Dienstag nach, wie dürftig die Indizienlage, die die Anklage anführt, sich tatsächlich darstellt. Einen konkreten Beweis gebe es weder für die Tatbeteiligung der Angeklagten noch für deren Mitgliedschaft in der RAF. Die Bundesanwaltschaft hält Norbert Hofmeier und Barbara Perau unter anderem deswegen für die Täter, weil in ihrer Wohngemeinschaft ein Bekennerschreiben gefunden wurde. Dieses Bekennerschreiben sei genauso kopiert und gefaltet gewesen, wie die anderen verschickten Schreiben, sagte am Dienstag die Anwältin Fried. Es gebe „keinerlei Hinweis“ darauf, daß das Schreiben von den Angeklagten selbst verfaßt sei. Für die Beteiligung von Frau Perau spricht nach Ansicht der Bundesanwaltschaft auch die Aussage der Zeugin Schäfer. Die hatte sich bei der Polizei gemeldet und erklärt, sie habe zwei blonde junge Frauen am Zaun der Bundesgrenzschutzanlage beobachtet. Auf einer Fotomappe der Polizei erkannte sie Frau Perau wieder. Welchen Wert diese Aussage tatsächlich hat, machte Rechtsanwalt Schwaarz am Dienstag deutlich. Die Fotomappe umfaßte 21 Aufnahmen, doch nur auf vier Fotos waren Frauen dargestellt. Drei von diesen vier Bildern zeigten wiederum Frau Perau. Die vierte Fotografie zeigte eine junge Frau mit kurzgeschnittenen roten Haaren. Trotz dieser Vorlage erkannte die Zeugin Frau Perau nur auf einem Bild wieder. Auf Zeugenaussagen dieser Güte beruft sich die Bundesanwaltschaft in diesem Prozeß nahezu an jeder Stelle.
Nach den Plädoyers der Verteidigung nahmen Thomas Thoene und Barbara Perau in einer Erklärung zum Prozeß Stellung. Sinn des Prozesses sei es, so Thoene, daß „wir uns von der Guerilla distanzieren, von dem gemeinsamen Ziel von Guerilla und Widerstand“. Barbara Perau forderte die zahlreichen BesucherInnen auf, zusammen mit den Gefangenen die Forderung nach Zusammenlegung durchzusetzen. Diese sei existentiell für jeden „von uns“ und der „einzige Schutz gegen die Isolationsfolter“. Als die BesucherInnen am Ende der Erklärung in Sprechchören die Zusammenlegung der Gefangenen forderten, wurde der Saal von den zahlreich anwesenden Zivilbeamten geräumt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen