SATIERISMUS

■ Ulrich Gumpert spielt Satie im Georg Kolbe Museum anläßlich des „Schauplatz Museum“

Es ist nicht weiter überraschend, zu bemerken, daß es in Berlin West eine Gemeinde gibt, die auf Musikern aus der DDR steht, weil man sie schon kannte, als sie noch in der DDR lebte - die Gemeinde.

Und außerdem gibt es eine Gemeinde, die immer dann zusammentritt, wenn irgendwo in der Stadt öffentlicherweise Satie gespielt wird.

Leider war es im Georg Kolbe Museum allerdings nicht so, daß die beiden Elemente zusammen eine brisante Mischung ergeben hätten. Lachten noch einige wenigstens bei den kleinen gesprochenen Bemerkungen Saties über seine Musikproduktion, die im wesentlichen auf der Erfindung des Phonometers beruht, über seine Darstellung der ordentlichen Arbeit eines Künstlers, der seine tägliche Inspiration beispielsweise festlegt auf den Zeitraum von 10.23 bis 11.17 Uhr, über seine Aufzeichnung einer Liebschaft, so verfiel das werte Publikum beim ersten Anschlag auf dem weißen Tastameter der Firma Steinway&Sons in introvertierte Besinnlichkeit, die außer Klatschpausen bei kaum jemandem noch ein Lächeln auf die Lippen trieb.

Es ist dieser gottverdammte Bierernst, der in Saties Musik überhaupt nicht vorkommt, denn obwohl die von Ulrich Gumpert gespielten Stücke, Preludes, die Gnosiennes und auch die Dances Gothique seiner Musikauffassung nach Ton für Ton und Akkord für Akkord langsam, getragen daherkommen, ist das doch keine Musik, bei der man einschlafen sollte über fortgesetzten Grübeleien, was der Künstler uns denn Bedeutendes damit sagen will. Und wenn man bedenkt, daß im Georg Kolbe Museum die Wände voll von nackten, posierenden Menschen hängen, die sich für bildende Künstler zwecks Studium der Anatomie auszogen, müßte es doch wenigstens Brunstschreie geben, es müßte sich das Publikum über den Boden wälzen, um in den Pausen zu erstarren. So aber saß jeder für sich, die Augen fast geschlossen, da und konsumierte Töne wie anderenorts die Regale eines Supermarktes Dose für Dose, Paket für Paket.

Ulrich Gumpert machte seine Arbeit dabei ordentlich, wenn sein Spiel auch nicht so fröhlich war wie das von Johannes Cermato, der im Oktober im Loft zeigte, wie unverbraucht und natürlich Satie an Orten zu spielen ist, die sonst für andere Veranstaltungen zuständig sind. Aber weil jeder Veranstalter für sich arbeitet und Erfahrungen anderswo ignoriert, wird es wohl noch lange dauern, bis Satie die Explosionskraft bekommt, die das Publikum vom Hocker reißt. In Zeitlupe.

Qpferdach