Verspätete Annäherungsversuche

■ AL erläutert Angebot zur Zusammenarbeit mit der SPD / Erstaunliche Übereinkunft zwischen „Fundis“ und „Realos“ aus unterschiedlichen Motiven

Als im letzten Frühjahr die Fraktion der Alternativen Liste im Abgeordnetenhaus der SPD ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit öffentlich bekundete, wurde ihr von der Parteibasis kräftig auf die Finger geklopft. Heute, kaum ein Jahr danach, scheint traute Eintracht zu herrschen in der Frage „Wie halten wir's mit der SPD“. Das Angebot der AL im Falle rot-grüner Mehrheiten nach der Wahl am 29.Januar stieß in den Gremien der Partei auf schier einhellige Zustimmung.

In einem Brief an die „Damen und Herren der SPD-Fraktion“ hat die Alternative Liste gestern nicht nur ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit bekundet. Gleichzeitig übte sie harsche Kritik an den Genossen. Man habe den „deutlichen Rechtsruck“ der Partei wohl bemerkt und auch, daß die Sozialdemokraten von ihrem Ziel, den CDU/FDP Senat abzulösen, abgerückt seien. Die Alternative Liste biete dem ungeachtet der SPD die Zusammenarbeit an, auch, um der Wahlkampfstimmung „Alles schon gelaufen“ zu begegnen. Die Hoffnung auf den Sturz des Diepgen-Senats würde viele der jetzt noch Unentschlossenen WählerInnen an die Urne bringen, hofft die AL.

Für den Fall, daß tatsächlich Verhandlungen stattfinden, formulierte gestern die Spitzenkandidatin Bischoff-Pflanz inhaltliche Schwerpunkte. Ein „ökologisches Sofortprogramm“ steht ganz oben auf der Liste einschließlich der Forderung nach der „autofreien Stadt“. Weiter will die AL mehr innere Demokratie und die Abschaffung des Verfassungsschutzes. Es folgt der Wunsch nach 900 DM Mindesteinkommen plus Miete und die Quotierung aller Ausbildungsplätze, Mietpreisbindung und mehr Arbeitsplätze durch Umweltschutz.

Die AL „ist natürlich kompromißbereit“ signalisierte der zukünftige Abgeordnete Bernd Köppl, für den das Angebot auf Zusammenarbeit mit der SPD eine spät Genugtuung ist. Noch im letzten Sommer während der Mitglieder-Vollversammlung hatte er sich von Teilen der Basis unter anderem auch wegen der Passagen zur SPD im Wahlprogramm beschimpfen lassen müssen. Diesmal stimmten nur Wedding, Spandau und Schöneberg gegen das Koalitionsangebot. Plötzliche Begeisterung für die SPD? Eher nicht. Viele mögen sich sich in dem Statement von Christian Goger (Reinickendorf) wiedergefunden haben, der „leidenschaftslos“ war. Momper wolle doch gar nicht regieren, da brauche sich die AL keine Gedanken über Koalitionen machen. Außerdem komme einem bei dieser SPD sowieso „das Grausen“, meinte der Reinickendorfer. Die Kontroverse deutete sich erst nach der Abstimmung an. Als Bernd Köppl meinte, dies sei ein historischer Augenblick, denn endlich sei der Weg frei für eine erfolgreiche Parlamentsarbeit, protestierte Benny Guttmann (Wedding). Als zukünftige Linie der Partei wollte er den Beschluß nicht verstanden wissen.

bf