Ziviler Ungehorsam-betr.: "Giftgasblockierer wurdne verurteilt", taz vom 7.1.89

betr.: „Giftgasblockierer wurden verurteilt“, taz vom 7.1.89

(...) Im bekannten Stil der Massenabfertigung von BlockiererInnen, die das Amtsgericht Schwäbisch Gmünd seit Jahren praktiziert, hat Richter Friemel die Prozesse gegen uns begonnen. (...) Spätestens nach dem zweiten Prozeß war klar, daß sich Staatsanwaltschaft und Gericht nicht für die Motive und politischen Ziele der BlockiererInnen interessieren, sondern der Einfachheit halber Gewalt im Vorgehen und asoziale Ziele unterstellen, damit eine Verurteilung nach dem Nötigungsparagraphen unter Dach und Fach ist.

Wenn das Bundesverfassungsgericht die Lagerung von Giftgas in der Pfalz sowie deren massenvernichtenden Einsatz in einem Krieg zum Zwecke der wirkungsvollen Landesverteidigung als verfassungsmäßig erklärt, kann ein gewaltfreier Widerstand und ziviler Ungehorsam gegen das Giftgas nicht berechtigt sein und muß staatlich verfolgt werden. Es kommt immer darauf an, was und wo man blockiert. Ist mensch Pazifist und blockiert Massenvernichtungswaffenlager und will eine Abschaffung aller Massenvernichtungswaffen und eine Beendigung der kriegsvorbereitenden Politik, wird man dafür in unserem Staat bestraft. (...)

Im vierten Prozeß gegen mich verhängte der Richter gegen mich ein Redeverbot, nachdem ich zu Anfang meiner Ausführungen die Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit des Gerichts in scharfer Weise bezweifelte. Mit diesem Maulkorb gegen mich und dem darauffolgenden Urteil von 70 Tagessätzen zeigte der Richter, daß er unseren Argumenten nicht gewachsen ist und uns deshalb den Mund verbieten muß. Da ich dann doch noch die Gelegenheit zu einem Schlußwort erhielt, konnte ich in aller Ausführlichkeit darlegen, warum in diesen Prozessen politische Ziele und gewaltfreies Vorgehen kriminalisiert werden und warum ich mich von einer solchen Justiz auch in Zukunft nicht abschrecken lassen werde und weiterhin an Aktionen des zivilen Ungehorsams teilnehmen werde, auch wenn das zu immer höheren Strafen führt. Zu hoffen bleibt, daß die kommenden Prozesse in solidarischer Weise von einer kritischen Öffentlichkeit begleitet werden. Der nächste Prozeß ist am Freitag, den 13. Januar vor dem Amtsgericht Pirmasens in der Bahnhofstraße 26.

Andreas Linder, Tübingen