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Festnahme wegen Libyen-Geschäft

Belgischer Spediteur in Haft / Zollfahnder schweigen zu neuen Indizien gegen Imhausen-Chemie  ■  Von Bornhöft und Nowakowski

Berlin/Bonn (taz) - Wegen der Affäre um die angebliche Giftgasfabrik in Libyen ist in der Nacht zum Donnerstag erstmals ein Geschäftsmann festgenommen worden - in Belgien. Auf dem Brüsseler Flughafen Zaventem erwischte die Polizei den Antwerpener Spediteur Jozef Gedopt. Er soll 1986 mit gefälschten Frachtpapieren den Versand von chemischen Grundstoffen und Bauteilen für die Chemiefabrik in Rabta vertuscht haben. Belgische Justizbehörden - sie wurden nach einem deutschen Ermittlungsersuchen tätig - vermuten, daß Gedopts Firma, die Cross Link GmbH, mit deutschen Unternehmen zusammenarbeitete. Mit dieser Festnahme bestätigen sich Hinweise auf ein bislang heftig abgestrittenes Engagement deutscher Firmen, die der 'Stern‘ in seiner gestrigen Ausgabe dokumentierte.

Ungeachtet der neuen Indizien für den Bau eines „militärisch-industriellen Komplexes zur Produktion chemischer Kampfstoffe“ im libyschen Rabta, dementiert Tripolis weiterhin. Der libysche Botschafter bei den Vereinten Nationen, Ali Treiki, sagte gestern im US -Fernsehen: „Sicherlich waren einige deutsche Firmen an diesem pharmazeutischen Werk (in Rabta) beteiligt.“ Davon scheint allmählich auch Bonn überzeugt zu sein. Während Kohl von „Hinweisen dieser oder jener Art“ auf eine deutsche Beteiligung sprach, wußte Genscher: „Es gibt ja eine Reihe von Hinweisen offensichtlich, die in diese Richtung deuten.“

Die Fahnder vom Zoll-Kriminalinstitut Köln, die in Sachen Libyen-Exporte ermitteln, gaben sich gestern einsilbig. Bei Auswertung der Geschäftsunterlagen der inzwischen aufgelösten Firma des abgetauchten Exil-Irakers Barbouti, „I.B.I. Engineering“, in Frankfurt habe man bisher kein „gerichtsverwertbares Material“ entdeckt, hieß es in Bonn. Die Unterlagen der Firma, die als Drahtzieher des Libyen -Geschäftes gilt, enthalten hingegen nach Angaben des 'Stern‘ unter anderem „ordnerweise Schriftverkehr“ mit der Chemiefirma Imhausen. Deren Chef, Dr.Jürgen Hippenstiel -Imhausen, konnte sich kürzlich über einen Persilschein der Freiburger Oberfinanzdirektion freuen und bestreitet hartnäckig, mit Libyen ins Geschäft gekommen zu sein. Die von Imhausen hergestellten Anlagen zur Produktion von Düngemittel- und Insektenvernichtungsmitteln lassen sich problemlos umrüsten zur Herstel Fortsetzung Seite 2

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lung von chemischen Kampfstoffen. Die Verbindung zwischen Imhausen und Libyen lief dem 'Stern‘ zufolge über die Firma „Pen-Tsao-Materia-Medica Center“ in Hamburg. Diese Tochterfirma eines gleichnamigen Honkonger Unternehmens war von Imhausen mit Vollmacht gegründet worden. Über sie, so der 'Stern‘ weiter, verschickte er offiziell Anlagenteile nach Hongkong, ohne daß die Lieferung dort jemals angekommen wäre. Bemerkenswert: Just der Pen Tsao erteilte die Hamburger Oberfinanzdirektion am letzten Montag den gleichen Persilschein wie zuvor die Freiburger Kollegen.

Allerdings, so ein Sprecher der Hamburger Behörde gestern zur taz, habe es sich „nur um eine von Bonn angeordnete Betriebsprüfung“ ge

handelt. Dabei studieren die Beamten die ihnen freiwillig überlassenen Geschäftsunterlagen.

Hatte Kohl nach den Negativ-Überprüfungen der Imhausen -Chemie und der Pen Tsao zunächst die US-Regierung und -Medien abgekanzelt, so legte er Mittwoch den Rückwärtsgang ein. Es sei „völlig inakzeptabel“, wenn deutsche Firmen in irgendeinem Land am Aufbau solcher Betriebe mitwirkten. Regierungssprecher Ost schob gestern nach, die Bundesregierung sei „aufs höchste an einer völligen Aufklärung der Zusammenhänge um den Bau des Chemiewerkes interessiert“. Gleichzeitig habe die Regierung Maßnahmen zur „Verstärkung“ des Außenwirtschaftsgesetzes getroffen, um die Ausfuhr sensibler Güter besser kontrollieren und überwachen zu können. Das hält der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) für überflüssig. Ungeachtet der zahlreichen in den letz

ten Jahren mühsam aufgedeckten Waffengeschäfte meint DIHT -Geschäftsführer Franz Schoser, die Bundesrepublik sei beim Export von Waffentechnik „äußerst zurückhaltend. Aus gutem Grund hat sich die deutsche Wirtschaft hier immer sehr sensibel verhalten.“

Auf wenig Gegenliebe bei den Dealern dürfte die Forderung Genschers stoßen, die bloße Mitwirkung an der Herstellung von C-Waffen im Ausland müsse unter Strafe gestellt werden, ohne Rücksicht darauf, ob die Wissenschaftler oder Firmen dabei das Außenwirtschaftsgesetz verletzen. Bisher kann jeder Bundesbürger im Ausland bei der - hierzulande verbotenen - Chemiewaffenproduktion mitmischen, ohne daß es eine rechtliche Handhabe dagegen gäbe. Daher hält Genscher eine Änderung des Strafrechts für „unbedingt notwendig“. Auch SPD- und CDU-Politiker verlangten gestern höhere Strafen für illegale Exporte.

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