piwik no script img

Natürlich gegen Flöhe und Schaben

■ Kammerjäger benutzt statt Lindan oder PCB ein biologisches Chrysantemengift / KundInnen sind Hund- und HausbesitzerInnen, aber auch Brotfabriken / Biologisch gegen Wurm und Bock in Dachstühlen

Reinhard Mey zumindest steht dazu: „Alles was ich habe, ist meine Küchenschabe.“ Feine (und weniger feine) Bremer Leute dagegen decken lieber den Mantel der Verschwiegenheit über ihr Problem: Ungeziefer. Peter Hülse weiß ein Lied davon zu singen. Er ist der einzige „Kammerjäger“, Schädlingsbekämpfer in den gelben Seiten. Doch noch etwas zeichnet Hülse mit seinem „M.A.R.C.-Service“ in der Branche aus: Er ist biologischer Schädlingsbekämpfer. Hülse arbeitet bei seinen Feldzügen gegen Küchenschaben, Flöhe, Mehl- oder Kakaomotten ausschließlich mit einem natürlichen Gift: Mit Pyrethrum, das aus Chrysanthemenpflanzen gewonnen wird. Dieses Gift hat den Vorteil, daß es sich innerhalb von 24 Stunden abbaut. Übliche Mittel dagegen, meistens Chlorierte Kohlenwasserstoffe wie zum Beispiel Lindan, brauchen Jahrzehnte, bis sie mit ihrem Abbau beginnen und greifen darüber hinaus den Menschen an.

Peter W. war deshalb froh, im Branchenbuch einen „biologischen Kammerjäger“ gefunden zu haben. Sein Problem: Flöhe. Als er vor zwei Monaten seine neue Wohnung besichtigte und „Fido“ aufmunternd die Flanke tätschelte, fand er den Hausgenossen seiner Vormieter noch ganz nett. Jetzt sieht er „Fido“ jedoch aus einem anderen Blick

winkel: als Wirt seiner Hausflöhe. Ausgehungert haben sich die Blutsauger nämlich nun auf die neuen Hausbewohner gestürzt, nachdem die Wohnung drei Wochen leerstand. Unterstützt werden die Plagegeister noch durch ihre Brut, die mittlerweile in dem wunderschönen taubenblauen Teppichboden aus ihrer Verpuppung geschlüpft sind. Die flächendeckende Entwesung von Peter W.s neuem 70-Quad

ratmeter-Heim kostet bei zwei notwendigen Behandlungen rund 300 Mark. Ein durchschnittliches Bremer Haus dagegen von Küchenschaben zu befreien, ist weitaus schwieriger: Eine Grundbehandlung und zwei Nachbehandlungen sind vonnöten, dann übernimmt Peter Hülse auch die Garantie. 350 bis 400 Mark kostet dieser Feldzug. Gegen Neueinschleppung ist man dann jedoch nicht geschützt. Und meistens

sind in den Nachbarhäusern die gleichen Quälgeister am Werk. So sind die Schaben bald drauf wieder da. Neben den Privathaushalten rufen jedoch hauptsächlich Betriebe der Nahrungsmittelindustrie um Hilfe: Der Bäcker nebenan wie die Brotfabrik in der Vorstadt haben ständig gegen Mehlmotten zu kämpfen. Ihnen ist Peter Hülses biologischer Weg sympathisch - schließlich brauchen so die verpackten Lebens

mittel nur abgedeckt werden, 24 Stunden später ist das Gift aus allen Ecken wieder verschwunden, die Motten gekillt. Der klassische Arbeitsbereich der Schädlingsbekämpfer umfaßt neben diesem Vorratsschutz aber auch den Pflanzen-und den Holzschutz. Am Holzschutz läßt sich der Unterschied zu den üblichen Methoden noch verdeutlichen: Peter Hülse benutzt das altbekannte Borsalz. Frischholz wird in eine entsprechende Lösung getaucht, altes Holz bespritzt. Andere schützen Dachstühle dagegen zum Beispiel mit PCB oder lindanhaltigen Schutzmitteln, die noch immer zugelassen sind. Da dieses Seveso-Gift sich erst Jahrzehnte später abbaut, nach einigen Jahren aber in eine Phase übergeht, bei der es ausdunstet, entstehen für den Menschen giftige Gase. Dafür übernahmen die Holzschützer in der Vergangenheit dann aber auch eine 30jährige Garantie gegen Holzwürmer und Hausböcke. Doch auch in der Branche der Schädlingsbekämpfer scheint sich ein Biotrend abzuzeichnen. So weiß Peter Hülse von Versuchen der Industrie, das von ihm verwandte Pyrethrum synthetisch herzustellen. Damit läßt sich dann in Zukunft der Abbauprozeß steuern und auf längere Zeiträume ausdehnen. Womit auch bei diesem Produkt dem Biotrend die Natürlichkeit weicht.

Birgitt Rambalski

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen