So oder so ist das Leben eher nicht

■ Der WG-und-unbürgerliche-Paare-Bestseller der Frankfurter Cartoonistin Eva Heller als Film: Post-„Männer„-Beziehungskomödie aus Deutschland, denn Gucken geht schneller als Lesen

Du hast schon wieder meinen Sahnejoghurt gegessen.

(Albert, Arzt, 32)

Meine Mutter hat es mir geschenkt. Das war gewisssermaßen verdächtig. Ein Taschenbuch mit populärhippiesk geschmacklosem Umschlag und dem Frauen-die-zu-sehr-lieben -Männer-lassen-lieben-Lebenshilfe-Titel „Beim nächsten Mann wird alles anders“. Ich wollte schon damals eigentlich lieber Herrn Jetzt behalten. Das macht aber nichts. „Beim nächsten Mann“ ist schließlich ein Roman.

Die ersten hundert Seiten zerflatterten leicht hin- und herzerrissen zwischen Hihi-und Aha-Effekten der ganz putzigen Art und Unwillen ob des ca. 15,5 Jahre zu späten Holzhammer-Sponti-Du-das-ist-jetzt-aber-echt-gemein-von

-Dir-Sprachwitzes, den Frau Sozialwissenschaftlerin und Cartoonisten Eva Heller in dicken Klecksen auf die Seiten hintunkt, zwischen lauter fabelhafte Comicfiguren der ganz neudeutschen Art: Constanze Wechselburger (Nomen est nie verkehrt), Filmstudentin von feiner Selbstironie, Gottfried Schachtschnabel (eine Buchstabenkombination, die bei steter Wiederholung erhebliche Interferenzen verursacht und per Film-Vorspann in Xaver Schwarzenberger/Regie und Gundolf S. Freyermuth/ Drehbuch kongenial unerfundene Spielgefährten bekommt). Gottfried Schachtschnabel ist ordentlich unbürgerlicher hegelphänomenologischverbrämter Filmdozent von außerordentlichem Schwachsinn, mit angeschlossener Töpferkursgattin, drei Geranienkästen, Farbfernseher-statt-Scheidung-Lebensdevise und einer Visualisierungstheorie des Films zur Illusion der ewigen Sinnlichkeit oder so. Der Kerl ist einigermaßen unerträglich, was keine der romantisch anwesenden Damen daran hindert sich in solch brätschoffenkundige Unerträglichkeit zu vergucken. Wären die Herren Schaumschläger-und-Zitatensammler-nie-verstandener-Schlau

-Theorien tatsächlich so doof, wäre das Leben einfach. Es

ist aber, glaube ich, komplizierter als Frau Heller es so lustig daherschreibt.

Neben Gottfried und Constanze: Julia, die neufraupraktische Kinderpsychologin (schachtschnabelerlegen), Birgit, die TV -Gerät-und-Keksdosen-Kartoffel, Sieglinde, die eduscho -brave Tandem-Schnepfe zu Wolf-Dietrich, der emotional total blockiert ist und in der Werbung tätig, dazu Anna, geizig, lieb und nett und gern Bratwürste verfütternd, und Albert. Der ist ganz o.k. Das sind glaube ich alle aus unserer bestimmt haarscharf getroffenen Kreativ-bewußt-und -unbürgerlich-Szene.

700.000 potentielle WG-Mitglieder haben die Constanze -liebt-Albert-eigentlich-doch-Allgemeingut-aus- -bundesdeutschen-Jungintellektuellen-Haushalten-Geschichte

zerlesen und fein ausdiskutiert. Gucken ist bekanntlich leichter als lesen und dauert auch nicht so lang. Die Berliner Produzentengeschwister Susan Nielebock und Matthias Wendlandt haben darum das Geld von Produzentenpapa Horst Wendlandt (aus Otto- und Loriotfilmen) brav angelegt. Man erwartet gut zwei Millionen Menschen an den Kinokassen zur Entrichtung des dort üblichen Entgelds.

Wendlandts haben vorsichtshalber drei Herrschaften auf Hellers Frauen-Vorlage angesetzt (Schwarzenberger, Freyermuth und Stefan Lukschy/ Drehbuch), die unsere Comicfiguren-wie-Du-und-ich in landesbausparkassenfröhliche Twen-Kulisse hineinrühren, die Jungintellektuellenvorlage damit massenkompatibel gestalten, also gehörig auf den gröbsten peinsamen Nenner stutzen, die außerdem den deutschen Fernsehsaubermann Volker Kraeft für alle Omis und Opis und rezeptsammelnde Hausfrauen und jene sonst eigentlich ganz anständigen Menschen, die ihn für ihren Lieblings-Schauspieler halten, zum weinerlich jammerlappenden Schachtgeschnabel machen und alles durch Guck-mal-wie-komisch-alle-gemerkt-?-Grobheiten herunterwirtschaften.

Dazu gibt es die üblicherweise einschaltquotenerhöhend Despina Pajanou als viel zu junge Julia (aber schön), Lockenblondschopf Antje Schmidt als Uns-Constanze (ein Pumps -Jeans-Schrillschmuckmädel mit grazilen Comicfigurqualitäten und hübsch gehaltenen Schultern), Billie Zöckler mit dummdick überzogener Fernsehen-ist-klasse-Naivität und ausreichend nervender Pieps-quäk-Kinderstimme, Hark und Marquard Bohm als runnig Besoffene-joggende-Akademiker-Gag und eben Dominic Raake, der all seine Albert-Unarten (Albert ist einfach Mensch und nicht soziologisch verschubfachter Szene-Typ) stolz und ernst vor sich her trägt wie den triefnassen Bademantel und einfach großartig und prima glaubwürdig ist. Um ihn habe ich mir auch beim Lesen die meisten Sorgen gemacht. Albert nämlich stimmt.

Petra Höfer

Filmstudio, 15.45, 18 und 20.30, Fr/Sa 22.45 Uhr