Besetzung für Günter Sonnenberg

Angehörige politischer Gefangener besetzen kurzfristig Justizministerium in Stuttgart / Freilassung des wegen RAF-Mitgliedschaft verurteilten Sonnenberg gefordert  ■  Von Dietrich Willier

Stuttgart (taz) - Zehn Personen haben sich gestern vormittag Zutritt zur Eingangshalle des Baden-Württembergischen Justizministeriums verschafft. Sie - allesamt Eltern und Geschwister politischer Gefangener der RAF und des Widerstands - waren gekommen, um die Freilassung des Gefangenen aus der RAF, Günter Sonnenberg, beziehungsweise dessen Zusammenlegung mit anderen politischen Gefangenen zu fordern. Vier von ihnen ketteten sich an ein Geländer des Ministeriums. Justizminister Eyrich lehnte eine schriftliche Zusage ab. Ein Angebot seinerseits, drei Personen für zehn Minuten zu empfangen, wenn die anderen das Ministerium verließen, wurde von den Besetzern zurückgewiesen. Nach Personalienfeststellung wurden alle zehn Protestierende durch einen Nebenausgang abgeschoben.

Günther Sonnenberg ist wegen der Beteiligung an der Ermordung des früheren Generalbundesanwalts Buback und Mitgliedschaft in der RAF zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt. Bei seiner Festnahme im Mai 1977 wurde er durch einen Kopfschuß lebensgefährlich verletzt. Sonnenberg leidet nach Auskunft seines Vertrauensarztes seither an Konzentrations- und Gedächtnisstörungen und wird mit Psychopharmaka behandelt.

Im September vergangenen Jahres, so Roland Mayer, der bis zu seiner Entlassung im Dezember '88 ebenfalls wegen Mitgliedschaft in der RAF in Bruchsal inhaftiert war, setzte Günther Sonnenberg das Medikament auf ärztliches Anraten ab. Am 28.Dezember wurde Sonnenberg nach Auskunft des Justizministeriums beim Hofgang plötzlich ohnmächtig und verletzte sich bei einem Sturz am Kopf.

Sonnenberg, so Mayer vor der Stuttgarter Presse, sei seit seiner Festnahme haftunfähig. Um Gefängnisstreß abzubauen, müssten zumindest die Haftbedinungen erleichtert werden und die die ständige Betreuung durch einen Arzt seiner Wahl gewährleistet sein. Die Karlsruher Bundesanwaltschaft sieht laut Stuttgarter Justizministeriums keine Veranlassung, die Haftbedingungen Sonnenbergs zu ändern. Sonnenberg ist in seiner Bruchsaler Zelle räumlich und akustisch von anderen Gefangenen isoliert.