Bonner Libyen-Blackout ausgesessen

Regierung gibt zu, seit langem über deutsch-libysche Geschäfte beim Bau der angeblichen Giftgasfabrik informiert gewesen zu sein Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Imhausen-Chemie / Inhaftierter belgischer Spediteur legt Teilgeständnis ab  ■  Von Bornhöft und Nowakowski

Bonn/Berlin (taz) - Nach wochenlang schlecht, aber laut demonstrierter Ahnungslosigkeit in der Libyenaffäre wurde die Bundesregierung gestern von plötzlicher Erinnerung heimgesucht. Ihr lagen bereits Mitte Oktober letzten Jahres „ernstzunehmende Hinweise“ des Bundesnachrichtendienstes auf eine Beteiligung der Firma Imhausen-Chemie am Bau der angeblichen Chemiewaffen-Fabrik in Libyen vor. Dies mußte Regierungssprecher Friedhelm Ost gestern in Bonn eingestehen. Fast gleichzeitig teilte die Staatsanwaltschaft Offenburg mit, daß sie seit gestern gegen die Firma wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz ermittele.

Vor Wochenfrist hatte Ost noch betont, Bundeskanzler Kohl sei zum ersten Mal bei seinem Besuch in den USA am 15. November mit dem Namen Imhausen konfrontiert worden. Diese Diskrepanz wollte Ost nicht als Lüge verstanden wissen. Er habe vielmehr sagen wollen, die Bundesregierung sei zu diesem Zeitpunkt erstmals von amerikanischer Seite informiert worden. Außerdem hatte Ost am 6. Januar noch erklärt, aufgrund der US-Informationen habe die Bundesregierung „aufs höchste sensibilisiert“ sofort im Bundessicherheitsrat und im Kabinett über das Thema gesprochen und „verdeckte Ermittlungen“ aufgenommen.

Nun sollen diese verdeckten Ermittlungen bereits einen Monat vorher angelaufen sein. Und bis heute seien keine „gerichtsverwertbaren Beweise“ gefunden worden, wie die Bundesregierung nicht müde wird zu behaupten. Auch die zum Jahresbeginn angeordnete Außenwirtschaftsprüfung der Oberfinanzdirektion Freiburg bei Imhausen hätte sich - ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl - nur auf die freiwillig herausgegebenen Firmen-Unterlagen beziehen können, räumt nun auch das Bonner Finanzministerium ein.

Über jeden Verdacht erhaben erschien die Firma auch der zuständigen Staatsanwaltschaft Offenburg. Deren Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Botz begründete der taz das gestern eingeleitete Ermittlungsverfahren mit den Worten: „Weil in der Presse und im Rundfunk in den letzten Tagen soviel kam, sind wir tätig geworden. Besonders durch den Bericht im 'stern‘ haben sich Verdachtsgründe verstärkt. Aber unser Erkenntnisstand ist dadurch noch nicht größer geworden.“ Mit dem von der OFD Freiburg ausgestellten Persilschein in der Tasche hatten Kohl und seine Parteifreunde ihre Verärgerung über die Amerikaner vorgebracht, die mit unbewiesenen Behauptungen und einer Pressekampagne die deutsch -amerikanische Freundschaft gefährdet hätten. Die USA wollten trotz Bonner Drängens keine Kommentar Seite 4

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Beweise herausrücken, hatte Ost moniert. Jetzt ist die regierungsoffizielle Wut nach Osts Worten darauf zurückzuführen, daß in der US-Presse Zweifel und Verdächtigungen am Bonner Nachforschungsinteresse geäußert wurden.

An der Ernsthaftigkeit des Aufklärungswillens aber könnten keine Zweifel bestehen. Doch „Hinweise sind keine Beweise“, sagte Ost. Zudem fehle der Beweis, daß eventuell beteiligte deutsche Firmen davon informiert waren, daß es um den Aufbau eines Chemiewaffen-Werkes gehe. Weil eine deutsche Expertengruppe mit Vertretern des bundesdeutschen Geheimdienstes erst heute aus den USA zurückkehrt, wollte Ost nicht zu Berichten Stellung nehmen, der US-Geheimdienst besitze Mitschnitte von Telefonaten zwischen deutschen Unternehmen und libyschen Stellen. Nach Angaben der US -Fernsehgesellschaft NBC sollen die Gespräche im August 1988 geführt worden sein. Nach dem Entweichen gefährlicher Che

mikalien während eines Probebetriebes in dem Chemiewerk von Rabta hätten Libyer deutsche Firmen um Hilfe gebeten. Zu den Telefonpartnern habe damals auch die Imhausen-Chemie gehört.

Diese Firma, deren Chef Dr.Jürgen Hippenstiel-Imhausen noch vergangene Woche laut von „haltlosen Verdächtigungen“ und einer „gegen die Firma gerichteten Kampagne“ schwadroniert hatte, wimmelte gestern jeden Anruf ab. Genauso schweigsam die Dame von der Tochterfirma Imhico-Imhausen AG in Zürich. Diese Klitsche, nach eigenen Angaben Vermögensverwalterin und Organisatorin von Ingenieurs -Reisen, könnte möglicherweise nun auch ins Visier staatsanwaltschaftlicher Untersuchungen geraten. Höchst selbstbewußt dagegen die Reaktion der von Imhausen gegründeten Firma Pen Tsao in Hamburg. Ihr Chef, Carsten Materne, wies in Bausch und Bogen die Beschuldigung zurück, über die Pen Tsao seien Lieferungen nach Libyen geschickt worden.

Nachdem nun offenbar die Bundesregierung bereit ist ihre Erinnerungslücken zu schließen, mag auch

Forschungsminister Riesenhuber nicht zurückstehen. Sein Ministerium bestätigte gestern, die Imhausen-Chemie mit „projektbezogenen Forschungsgeldern“ beglückt zu haben. Die Projekte waren: Reinigung der Abluft von Chemie-Anlagen (just dieser Arbeit soll übrigens der libysche Anruf gegolten haben), Entwicklung neuer Kraftstoffe auf Basis von künstlich erzeugtem Gas und Kohleverflüssigung. Über die Aktivitäten des in Brüssel festgenommenen, belgischen Spediteurs Jozef Gedopt, gegen den inzwischen Haftbefehl erlassen wurde, wahrten die Behörden Stillschweigen. Gestern hieß es lediglich, Gedopt habe ein Teilgeständnis abgelegt. Er wird beschuldigt mithilfe gefälschter Frachtpapiere Lieferungen von Anlagenteilen nach Rabta vertuscht zu haben.