„Frauenfeindlich, rechtsextrem und Alkohol“

■ Am Wochenende tagten im Hotel Interconti die Deutschen Burschenschaften / „Ehre, Freiheit, Vaterland“: Deutschlandpolitik aus dem Eiskeller / Keine Mitbestimmung in den universitären Gremien

Kennen Sie noch Diederich Heßling? Doch, den kennen Sie bestimmt. Diederich Heßling ist jene Hauptfigur in Heinrich Manns Roman Der Untertan, die sich im spätwilhelminischen Deutschen Reich permanent der Staatsräson unterwirft. Mit: „Meine Korporation verlangt das“, begründet Diederich Heßling sein Handeln.

Genau an diese Romanfigur erinnern die Studenten und die „alten Herren“ der Deutschen Burschenschaft, die am Wochenende in das Hotel Interconti strömten.

„Ehre, Freiheit, Vaterland“, so lautet das Motto der mit bunten Mützen und meist schwarz-rot-goldenen Schärpen ausgestatteten Burschen. Drei Tage lang wird über Deutschlandpolitik diskutiert. Die ist neben der Hochschulpolitik das zentrale Thema in den zum Teil noch mensurschlagenden Verbindungen. An den Unis werden „tiefgreifende Maßnahmen“ gefordert, ist in einer Presseerklärung zu lesen. Mehr Mitbestimmung in den universitären Gremien wird ausdrücklich abgelehnt. Der Muff von tausend Jahren einer Ordinarienuniversität bestimmt das Denken in den Korporationen. In der Deutschlandpolitik ist es nicht viel anders. Die diesjährige Tagung hat den Titel Vierzig Jahre Bundesrepublik Deutschland - Westintegration contra Wiedervereinigung? Die Referenten haben keine neuen oder revolutionären Thesen aufzuweisen; im Gegenteil: es werden alte Kamellen aus Zeiten des kalten Krieges hervorgekramt. So philosophieren rechtsaußen angesiedelte Militärs und Politiker vom Schlage eines Bundesministers Hans Klein, CSU, über das deutsche Vaterland in den Grenzen des Deutschen Reichs von 1937.

„Frauenfeindlich, rechtsextrem und Alkohol“, so lauten die Schlagworte, wenn ich an Korpsverbindungen denke. Das bestätigt mir auch ein „Verbandsbruder“: „Das kann man aber nicht pauschal sagen“, so der Bursche. Es gäbe sicher einzelne Burschenschafter oder gar ganze Korporationen, die diese Klischees erfüllten. Schließlich reiche aber das Spektrum von Sozialdemokraten wie Friedhelm Farthmann über Eberhard Diepgen bis - ja, bis wohin eigentlich? Eine Antwort blieben die Burschenschafter und ihre „alten Herren“ schuldig. „Die Liebe zu Deutschland“ und das „Einstehen für höhere Werte“ führen diese Studenten als Grund für ihr Tun an, aber auch die „Protektion“ durch die „alten Herren“ spielt eine große Rolle. Der Korpsgeist ist eben das, was die Studenten über Jahrzehnte zusammenhält.

An der Podiumsdiskussion beteiligten sich auch der SPD -Abgeordnete Karsten Voigt und der Berliner Bundestagsabgeordnete Peter Sellin. Meinungs- und Pressefreiheit wird in der Verfassung dieses Männerbundes eben groß geschrieben, wenn auch der Eindruck einer Alibifunktion bleibt. Denn spätestens bei dem sogenannten „Festkommers“, das ist eine Herrensitzung, wird das Deutschlandbild wieder geradegerückt. Der mit den rechtsextremen „Republikanern“ sympathisierende Ex -Innensenator Lummer, CDU, hält inmitten von strammen Jungs in anachronistischen Uniformen eine Festrede. „Heinrich fürs Grobe“ hat hier das richtige Auditorium für seine Sicht der Dinge: „Die Kirchen haben 2.000 Jahre lang Zeit gehabt, aus Ausländern Menschen zu machen“, so Lummer. Den Historikerstreit möchte er im Gesamtzusammenhang sehen, damit wieder „stolz durch die Geschichte gelaufen werden kann“. „Der Kommunismus ist der Parasit des Kapitalismus“, hat Lummer als Erklärung für „Glasnost“ und „Perestroika“ parat. Das Publikum spendet frenetischen Beifall. Aus 400 Kehlen wird das „Lied der Deutschen“ gegrölt. „Wir trinken auf das deutsche Vaterland.“

Beim Rausgehen erwischt mich noch ein verantwortlicher Burschenschafter. Ihm wäre das alles sehr peinlich. Lummer hätte hier „etwas Kabarettistisches geboten“. Das würde sicher wieder ein falsches Bild von einer „Stammtischatmosphäre“ skizzieren. Prost Deutschland.

Rainer Wernicke