Bei der CDU ging es um die Wurst

■ Auf der zentralen Wahlkampfveranstaltung der CDU in der Deutschlandhalle am Sonntag nachmittag prägten unzufriedene Studenten die Stimmung / Kewenig, Diepgen und Turner wurden ausgepfiffen / Die Worte von Bundeskanzler Kohl wollte keiner hören

„Die Wahl ist noch nicht gelaufen“, rief Eberhard Diepgen den 10.000 zu, die gestern in die Deutschlandhalle gekommen waren, „es geht um die Wurst!“ Stichwort für die etwa 300 StudentInnen für Sprechchöre: „Wir wollen die Wurst, wir wollen die Wurst.“ Minutenlang konnte Diepgen nicht weitersprechen.

Die als mobilisierender Höhepunkt geplante Wahlkampfveranstaltung der CDU geriet zum Debakel. Die Studis, viele davon aus der Jungen Union und dem RCDS, hatten ihren Protest mindestens so gut organisiert wie die Veranstalter ihr Showprogramm. Auf den Rängen der Deutschlandhalle entrollten sie Plakate und Transparente. „Uni 90 statt Jäger 90“ und „Augen zu, CDU“ war da zu lesen. „Alle Deutschen sollen in Zukunft in Frieden und Freiheit leben“, rief Diepgen, von den Rängen kam die Antwort: „Wir auch, wir auch“.

Für die Redner, die über zwei große Bildwände über den CDU -Fans schwebten, interessierte sich keiner mehr. „Wir sind friedlich, was seid ihr“, brüllte es von oben. Stramme CDUler antworteten mit „Eberhard, Eberhard“ und schwenkten Schilder mit der Aufschrift: „Ihn wollen wir“. Die Pfiffe der Studenten aus den oberen Rängen wurden von unten mit Klatschen und Getrampel beantwortet.

Selbst Generalsekretär und Einheizer Klaus-Rüdiger Landowsky hatte bei der Vorstellung der Show-Vorführung der Senatoren Mühe, den Faden in der Hand zu behalten. Bei Wilhelm Kewenig - „Wir müssen die Polizei unterstützen und nicht nur auf sie schimpfen“ - hielten sich Buhrufe und Beifall noch die Waage. Beim Wissenschaftssenator Turner brach der Bann. Sein resignierter Versuch, seine Hochschulpolitik in knackigen Worten zu schildern, ging in Pfiffen und Buhrufen unter. „Rücktritt, Rücktritt“, skandierten die Studenten.

So hatte sich die CDU das nicht vorgestellt. Eine schöne Wahlveranstaltung sollte es werden, mit viel „Auf geht's„ -Stimmung. Gunter Gabriel sang im Westernsound von der Berliner Mauer, und der dunkelhäutige Sänger Roberto Blanco im weißen Anzug rief den „Musikfreunden“ zu: „Wir Schwarzen müssen zusammenhalten.“ Mit jeder Menge Fähnchen und Luftballons sollte mal wieder jede Menge Zukunft versprochen werden.

Doch was macht ein Regierender Bürgermeister, wenn er vor seinem Wahlvolk steht und für den Satz: „Jeder junge Berliner kann einen Ausbildungsplatz finden“ Gelächter erntet? Sogar das Programm hat Landowsky unterbrochen und eine Resolution der Studenten verlesen. Gegen die Überfüllung der Hörsäle und für mehr Mitbestimmung. Allein, es nutzte nichts. Die lautstarken Kritiker im Saale waren nicht zu befrieden.

Der Kanzler schließlich versuchte zu retten, was nicht zu retten war: „Wo gibt es das noch, daß auch die Extremsten im politischen Bereich zuhören dürfen?“ Doch die Studenten waren konsequent. Sie kehrten ihm den Rücken zu, und er konnte lesen: „Mitbestimmung!“ und „Wer hat die Uni verraten - Senat und Christdemokraten“. Dann verließen sie die absurde Veranstaltung und setzten ihren Protest vor der Deutschlandhalle fort. Mit ihnen die Hälfte der CDU -Anhänger. Kommentar eines Besuchers: „Letztes Jahr hat der Kohl auch schon den Saal leergeredet.“ Und da sage noch einer, bei der CDU sei keine gute Stimmung.

Brigitte Fehrle