Unkritische WissenschaftlerInnen-betr.: "Zornige Grüße an zornige Viren", taz vom 7.1.89

betr.: „Zornige Grüße an zornige Viren“, taz vom 7.1.89, Seite 4

(...) Auf den ersten Blick hört sich das Pamphlet so richtig fortschrittlich an. Es ist aber nach einem Muster gestrickt, auf das wir in Diskussionen mit Betreibern sehr oft gestoßen sind: Die Bakteriengenetiker finden es „entsetzlich“, wenn am Menschen genetisch manipuliert wird; die Humangenetiker halten es für „unverantwortlich“, genetisch veränderte Organismen freizusetzen etc. Kritisiert wird nach Belieben alles, was die eigene Arbeit nicht in Frage stellt.

Zu den Motiven des Anschlags auf die THD, den ökonomischen und ökologischen Hintergrund der Arbeit dort, steht in dem „offenen Brief“ nur ein lapidarer Satz. Und dann wird die Keule gegen etwas Beliebiges geschwungen, hier: Reproduktionstechniken. Damit stellen sich heutzutage gern viele Forscher vor die Kameras und Mikrophone, den „kritischen Wissenschaftler“ zu schauspielern, um so zu verhindern, daß eine breitere Öffentlichkeit ihnen genauer auf die Finger guckt. Das ist auch ein Versuch, die Akzeptanz für die neuen menschenverachtenden Technologien zu erhöhen.

(...) In der harten Konkurrenz um Stellen und Gelder gibt es keinen Platz, das eigene Tun zu hinterfragen, kritisches Bewußtsein ist allenfalls außerhalb zugelassen. In der Konsequenz führt das dazu, daß alle Professoren, Doktoren und Doktorandinnen, die sich einmal für die Gentechnologie entschieden haben, nicht oder nur schwer in der Lage sind, tatsächlich gegen diese Technik anzugehen, in Wort und Tat.

In diesem Sinne verstehen wir den „offenen Brief“ als billigen Versuch, sich selbst und die Öffentlichkeit zu belügen. Widerlegt wären wir, wenn die „einigen Mitarbeiter“ sich entschließen könnten, ihre gesamte Arbeit inklusive nichtöffentlicher Schriftstücke zu veröffentlichen beziehungsweise Gruppen zur Verfügung zu stellen, die an diesem Thema arbeiten. Und wenn sie sich intensiver und konkreter als nur mit einem Satz mit den Inhalten der Zornigen Viren auseinandersetzen würden. (...)

Arbeitskreis Gentechnologie an der Uni Hamburg, Hamburg 13