Schalker Ämterschacher

Heute findet erneut eine Präsidentenwahl bei Schalke 04 statt  ■  PRESS-SCHLAG

Das leibhaftige Schalke-Denkmal Ernst Kuzorra setzt bei der morgendlichen Zeitungslektüre im Vereinslokal seiner Blau -Weißen, unmittelbar an der legendären „Glückauf-Kampfbahn“, ein besorgtes Gesicht auf: „Mein armet Schalke, watt soll nur werden?“ knüttert der Miterfinder des „Schalker Kreisels“ und spült den Korn mit einem kräftigen Pilsschluck runter. Immer dann, wenn es wieder einmal um das Schicksal von Schalke geht - einem Synonym für Skandale und Affären in der Fußballszene, dann schlagen die Herzen und der Haß höher als vor jeder Bundestagswahl. Bereits zum dritten Mal innerhalb von nur vier Monaten sind die über 6.000 Schalke -Mitglieder am heutigen Montag abend aufgerufen, einen neuen Vereinsvormann zu küren, der sich ausgerechnet in einem Gelsenkirchener „Boxtempel“ zur Wahl stellen wird. Rhetorische Tiefschläge sind bereits im Vorfeld reichlich ausgeteilt worden.

Nachdem der bei der letzten Versammlung ins Präsidentenamt gehievte Michael Zylka bereits nach drei Tagen das Handtuch geworfen hatte, sind nunmehr insgesamt 25 Kandidaten, mehr als der Kader des sportlich abgesackten Zweitligisten an Spielern zählt, für dieses Amt vorgeschlagen worden, das manche Gemüter mehr fasziniert als ein Sitz im Bundeskabinett. Immerhin neun Nennungen - darunter auch die Schalker Ulknudel Charly Neumann und der greise Meistertrainer Hermann Eppenhoff (69) - sind bis zum Schluß stehen geblieben. Und diese Kandidaten haben in den letzten Wochen „auf Schalke“ einen Wahlkampf geführt, der alle bisherigen Machtkämpfe, Kabalen und Intrigen dieses einstmals ruhmreichen Revierklubs in den Schatten stellt.

Selbst die betulich-zurückhaltende 'Deutsche Presse-Agentur‘ kommentierte die Wahlkampfauswüchse mit deutlichen Worten: „Kein deutscher Fußballklub schädigt sich selbst so anhaltend und abstoßend wie Schalke 04.“ Da wurden den Kandidaten Morddrohungen ins Haus geschickt, Spitzel auf den Hals gehetzt, Wagenreifen durchstochen und Fernsterscheiben eingeschlagen.

Die Kandidaten wiederum kündigten den Fans vollmundig üppige Wahlgeschenke an, versprachen Investitionen auf dem Transfermarkt in Millionenhöhe. Der von dem mächtigen „Schalker Klüngel“ als Favorit ausersehene millionenschwere Kliniken-Besitzer Günter Eichberg (42) aus Düsseldorf, den die Kumpel in Anspielung an die TV-Seifenoper von der „Schwarzwaldklinik“ hämisch „Professor Brinkmann“ rufen, hat zwischenzeitlich wieder kalte Füße bekommen: „Ich war zu blauäugig und habe den Fehler gemacht, vor dem Verwaltungsrat zu offen über meine Möglichkeiten zu reden. Eine Zusammenarbeit mit solchen Störenfrieden ist fast unmöglich.“

Offenbar hat Eichberg erkannt, daß der trotz seines Spielerausverkaufs immer noch hochverschuldete Fußballklub inzwischen längst von den Repräsentanten der sozialdemokratisch verfilzten Stadt Gelsenkirchen und verschiedener Banken regiert wird, die sich hier mit Bürgschaften und Krediten in Millionenhöhe engagiert haben. Geht den Politikern oder Bankern ein Spielertransfer gegen den Strich, drohen sie gleich mit der Aufkündigung ihrer Kredite.

Womöglich werden die Schalker Mitglieder am heutigen Montag das letzte Mal auf einer Mitgliederversammlung zur Wahl ihres Präsidenten schreiten. Um die tumultartigen Meetings zu vermeiden, soll der Schalke-Präsident künftig per Briefwahl unter den 6.000 Mitgliedern ermittelt werden. Hinter dieser Initiative steckt vor allem der ins kanarische Exil ausgewanderte mehrfache Ex-Präsident Günter Siebert („Ich bin reif für die Insel“), der sich auf diesem Weg offensichtlich ein Comeback ins Schalker Präsidentenamt erhofft. Auf Schalke ist eben alles möglich.

Johannes Nitschmann