Sloweniens Sozialdemokraten ergreifen Partei

■ Mit dem in Ljubljana neugegründeten „Demokratischen Bund“ ist das Parteimonopol des regierenden „Bundes der Kommunisten“ gebrochen / Umfragen rechnen mit einer Zustimmung von 35 Prozent für Sozialdemokratie / Kroatische Arbeiter demonstrieren weiter

Budapest/Berlin (taz) - France Tomsic? Den Namen kennt niemand in der Bundesrepublik; doch in Ljubljana kennt jedes Kind den fünfzigjährigen Ingenieur des Großbetriebs Litrostroj. Seit Tomsic seine Kollegen mehrfach zum Streik gegen die Belgrader Wirtschaftspolitik rief und noch im Dezember einen bundesweiten Generalstreik vorbereitete, ist er zum wohl populärsten Arbeiterführer des krisengebeutelten Jugoslawiens geworden. Nur weil der Ministerpräsident Branko Makulic mitsamt seinem Kabinett zurücktrat, wurde der Streik von Tomsic abgeblasen. „Das Machtmonopol der Kommunisten muß radikal gebrochen werden“, meint Tomsic und läßt keinen Zweifel daran, wie das zu geschehen habe: Durch die Neugründung einer sozialdemokratischen Partei. „Die kommunistische Partei hat es nicht geschafft, aus sich heraus die nötigen sozialen Reformen einzuleiten. Wir Sozialdemokraten streben ein solches politisches System an, in dem die Kommunisten nur die Rolle spielen sollen, die sie bei freien Wahlen von der Bevölkerung zugestanden bekämen. Es muß Schluß sein mit der privilegierten Sonderrolle der Kommunisten“, erklärt Tomsic siegesgewiß.

Zu seinem Optimismus hat Tomsic allen Anlaß. Am Mittwoch wurde in Ljubljana mit dem „Slowenischen Demokratischen Bund“ die erste Konkurrenz-Partei zum Bund der Kommunisten Jugoslawiens gegründet. Über 4.000 Sympathisanten seien ins Kulturzentrum gekommen, berichtet Tomsic. Rund 1.100 Mitglieder seien bisher eingetreten und im Mai solle der erste Kongreß der neuen Partei veranstaltet werden. Der Soziologieprofessor Dimitrij Rupel wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt. Wenn sich eine Umfrage des aufmüpfigen Politmagazins 'Mladyna‘ bewahrheitet, sieht die Zukunft der jugoslawischen Kommunisten düster aus, sobald das Parteimonopol fällt: der kürzlich veröffentlichten Umfrage zufolge würden die Sozialdemokraten bei freien Wahlen in Slowenien 35 Prozent der Stimmen bekommen, Christdemokraten 20 Prozent, Grüne 18 Prozent und die Kommunisten glatte neun Prozent.

Aufgemuntert durch diese Entwicklungen in der Nordwestecke Jugoslawiens organisieren seit einigen Tagen auch kroatische Intellektuelle den Aufbau unabhängiger Organisationen. Der taz gegenüber wurden jedoch Schwierigkeiten eingeräumt: Die Massenkundgebungen in Montenegro, die nahezu alle politischen Repräsentanten der Region aus ihren Ämtern trieben, hätten gezeigt, in welchem Ausmaß das Land in zwei Lager geteilt sei. Auch an diesem Wochenende demonstrierten aufgebrachte Arbeiter und Bauern in der kroatischen Provinzstadt Ivangrad und fordern die Absetzung der lokalen Stadt- und Parteiführung. 10.000 Arbeiter belagern zur Zeit das Stadtzentrum, nicht wenige sind, so heißt es, bewaffnet. „Diese Arbeiter fordern die Erneuerung der kommunistischen Partei“, meint France Tomsic, „sie haben den Glauben an das sozialistische System noch nicht verloren und meinen, mit dem Rücktritt des Establishments ließe sich das Land aus der Krise führen. Den Glauben haben wir in Slowenien längst aufgegeben. Uns geht es um eine konkrete politische Perspektive jenseits des real-existierenden Sozialismus.“

Roland Hofwiler/smo