„Es war ein sehr sympathischer Nachmittag bei der CSU“

Der Schriftsteller Martin Walser über seinen Auftritt bei der Klausurtagung der Bonner Landesgruppe der CSU im bayerischen Wildbad Kreuth  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Walser, als die CSU-Landesgruppe am Wochenende zu ihrem traditionellen Jahrestreffen in Bad Kreuth zusammenkam, hatte sie einen prominenten Referenten, nämlich Sie. Hat die CSU einen neuen Ghostwriter gefunden?

Martin Walser: Das glauben Sie ja selber nicht. Wenn ich Ihre Frage ernst nehmen würde, wäre die Antwort ein pralles, sattes „Nein“.

Aber was hat Sie bewogen, zur CSU nach Kreuth zu fahren?

Ich habe im vergangenen Jahr eine Rede gehalten in den Münchner Kammerspielen, die hieß „Reden über unser Land Deutschland“. Diese Rede wurde in der 'Zeit‘ abgedruckt und hat zu Entgegnungen geführt, unter anderem von Jurek Becker und Peter Glotz, die fragten, ob ich denn den Verstand verloren hätte usw. Ich habe auch viele Briefe dazu bekommen, und dann kam die Einladung von Theo Waigel, ob ich das nicht mit der CSU-Landesgruppe diskutieren möchte. Und es war für mich ganz selbstverständlich dahinzugehen, wenn eine Gruppe von Politikern mit mir über diese Rede diskutieren will. Man hätte mir einen Grund sagen müssen, warum ich nicht hätte dahingehen sollen. Wissen Sie einen Grund?

Zum Beispiel den der Gefahr, sich von der CSU als intellektuelles Aushängeschild vereinnahmen zu lassen.

Ich sehe gar keine Chance, als Autor, als Intellektueller von jemandem vereinnahmt zu werden. Ich bin auch nicht in Moskau vereinnahmt worden, als ich zum Schriftstellerkongreß gefahren bin. Ich habe schon verschiedene Erfahrungen in meinem Leben gemacht, aber die des Vereinnahmtwerdens ist mir noch nicht aufgegangen.

Kam es denn in Kreuth zu einer auch für Sie spannenden Auseinandersetzung?

Erstens einmal war das ganze völlig unpolemisch und entspannt. Es gab Auseinandersetzungen hauptsächlich weil ich in meinem Vortrag ein paar polemische Formulierungen über die Adenauerzeit hatte und über das Überleben solch blödsinniger Wörter wie „Wiedervereinigung“. Ich halte es für Unsinn, dieses Wort weiter zu hegen und zu pflegen. Aber es gibt natürlich Leute in der CSU-Landesgruppe die verwenden das Wort noch, und zwar sehr gern, und darüber haben wir diskutiert. Ich weiß nicht, ob ich da jetzt jemanden überzeugt habe. Mich zumindest hat niemand von der Möglichkeit, dieses Wort noch zu verwenden, überzeugen können.

Ein anderes Diskussionsthema war der Inhalt der Reden von Bahr, den ich dort vorgetragen habe. Bahr hat ja - zwar in einer sehr sympathischen Form - Schluß gemacht mit der deutschen Frage. Um die Sache möglichst schmerzfrei zu beenden hat er sie einfach in seinen europäischen Horizont gestellt als zwei Staaten in einem europäischen Haus. Ich halte das zwar für eine sehr achtbare Form der Resignation, aber auch für eine Abwegigkeit. Ich habe keine andere Chance, als die Teilung für etwas zu halten, das überwunden werden muß. Diese beiden Staaten müssen wieder einer werden. Man kann nicht Geschichte liquidieren, etwas, was so lange unterwegs war, kann nicht enden in diesem Bestrafungsprodukt deutsche Teilung.

Sind Sie sich in der Diskussion mit den CSU-Abgeordneten nahegekommen?

In dieser Beziehung ja, da waren wir völlig einig. Nur sind die sehr viel optimistischer als ich. Während ich sage, ich kann die Teilung nicht ertragen, aber ich habe keine Wege anzugeben, wie man sie überwinden kann, sehen einige von denen in der Perestroika einen Lichtblick.

Nun ist es ja kein Zufall, daß Sie ausgerechnet zum Thema 'Deutschlandpolitik‘ zur Diskussion gebeten wurden. Können Sie sich auch bei anderen Themen eine annähernde übereinstimmung mit CSU-Politiker vorstellen?

Ich habe in kleinerem Kreis Theo Waigel erzählt, was da mit der RAF läuft (gemeint ist Walsers Engagment für eine Amnestie von RAF-Häftlingen, die Red.). Er hat sich das alles angehört, und ich habe ihn gebeten, daß er das einmal mit seinen Leuten diskutiert. Und wenn er mich dazu einlädt, würde ich natürlich auch sofort hingehen. Aber ich werde jetzt nicht zu politischen Anlässen herumreisen. Das hat sich jetzt einmal ergeben wegen meiner Rede, die ins Gerede gekommen ist. Aber ansonsten sehe ich wenig Anlaß zu Parteiveranstaltungen irgendwelcher Art zu gehen. Das liegt außerhalb meines Alltags.

Was wäre denn Ihr Fazit dieses Zusammentreffens.

Ich bin kein Politiker. Ich kann nicht mit einem Medienstatement aufwarten wie „das Gespräch war fruchtbar“ usw. Dann hätte gleich Genscher hingehen können.

Würden Sie denn noch einmal hingehen?

Ja, selbstverständlich. Es war ein sehr sympathischer Nachmittag. Er gehört nicht zu den peinlichen Nachmittagen bei mir, weil es ein vollkommen feindschaftsfreies Gespräch war. Es wäre schnöde, wenn ich sagen würde, da gäbe es etwas zu bedauern.

Interview: Vera Gaserow