Chronik der Spurenverwischung

■ Libyen-Affäre von Bundesregierung vertuscht / Erinnerung scheibchenweise

Berlin (taz/dpa) - Mit bemerkenswerter Hartnäckigkeit und nach bewährtem Muster hat die Bundesregierung die Libyen -Affäre vertuscht. Eine Kurzchronik:

1. Januar: Offenbar von den US-Behörden informiert, berichtet die 'New York Times‘ über die Beteiligung der Firma Imhausen-Chemie am Bau der libyschen Chemiefabrik in Rabta. Angeblich wird dort Giftgas produziert. Helmut Kohl wiegelt ab: „Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, daß sich einzelne innerhalb der Bundesrepublik aus Gewinnsucht an Vorhaben beteiligen, die zumindest in Teilen der Welt friedensgefährdend sind“.

2. Januar: Regierungssprecher Schäfer sagt, Kohl sei bei seinem USA-Besuch am 15.November „nur sehr vage“ und zunächst sehr vertraulich über das Giftgasgeschäft informiert worden.

5. Januar: Ein Blick der Oberfinanzdirektion Freiburg in die Bücher der Imhausen-Chemie fördert nur einen Persilschein zutage: keine Verdachtsmomente.

6. Januar: Regierungssprecher Ost beginnt, kiebig zu werden: Wenn es überhaupt Beweise für eine Verwicklung deutscher Firmen gebe, müßten sie „jetzt auf den Tisch“. Bonn wehre sich dagegen, daß mit Verdächtigungen „operiert“ werde.

10. Januar: Kohl findet es „unerträglich“, wenn die Deutschen auf die Anklagebank gesetzt würden, ohne daß die Möglichkeit bestehe, die Beweismittel einzusehen. Wenn Beschuldigungen erhoben würden, „müssen sie vor einem deutschen Gericht beweisbar sein mit allen Konsequenzen“.

12. Januar: Der 'Stern‘ dokumentiert Geschäftspapiere von Imhausen-Firmen und Libyen-Makler Barbouti. Daraufhin erholt sich Bonn vom Blackout. Ost und Stoltenberg räumen ein, der Regierung lägen „seit einigen Tagen“ Hinweise über die Verwicklung deutscher Firmen vor.

13. Januar: Verschiedene Medien berichten, daß der BND bereits im Oktober 1988 die Regierung informiert hat. Ost ringt sich zum ersten Teilgeständnis durch und verfällt auf die Idee mit den fehlenden gerichtsverwertbaren Beweisen. Gleichwohl beharrt Ost darauf, in Washington seien zum ersten Mal am 15.November „von amerikanischer Seite“ Hinweise gegeben worden.

14. November: Laut 'Spiegel‘ informierte der BND die Bundesregierung bereits 1986 „sehr konkret“ über westdeutsche Hilfe bei der angeblichen libyschen Giftgasproduktion. Ost: Man habe die BND-Informationen zurückgehalten, um „die sofort veranlaßten Ermittlungen und Fahndungen nicht zu gefährden“. Die sind jedoch samt und sonders erst nach den Presseberichten dieses Jahres eingeleitet worden.

15. Januar: Ost dementiert den 'Spiegel'-Bericht. Die Bundesregierung hätte nun „erste vage Hinweise“ Ende September erhalten. Ein erster „ernstzunehmender“ Hinweis sei Mitte Oktober gekommen.

Petra Bornhöft