Weichenstellung

Alle wollen einen Verfassungsgerichtshof  ■ K O M M E N T A R

Was vor Jahren als absolutes Tabuthema in Berlin galt, wird nun von VertreterInnen aller vier Fraktionen im Kern gleich gesehen: Man müsse nach Wegen suchen, wie Lücken im Rechtsschutz behoben werden können, ohne gleich den Status auszuhebeln. Der Verfassungsgerichtshof, ob mit eingeschränkten oder erweiterten Kompetenzen, könnte zeigen, wie sich so etwas machen läßt. Sollte sich das Abgeordnetenhaus in der nächsten Legislaturperiode tatsächlich einhellig für den Verfassungsgerichtshof entscheiden, dann wäre dies auch eine Weichenstellung dafür, andere Sonderregelungen in Berlin daraufhin zu überprüfen, ob sie noch zeitgemäß und nötig sind.

Viele Möglichkeiten, die der Status bietet, sind längst noch nicht ausgereizt. Genutzt hat das Fehlen der Verfassungsinstanz sowieso meistens der Parlamentsmehrheit. Durch einen Mehrheitsbeschluß konnten in Berlin stets Oppositionsrechte außer Kraft gesetzt werden. Die Mehrheit brauchte nur „verfassungswidrig“ zu brüllen, um zum Beispiel die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zum Verfassungsschutz zu verschleppen. Nicht der Status, sondern demokratische Spielregeln können und konnten auf diese Weise vollends ausgehöhlt werden.

Was an dem Bericht verblüfft, ist die Lernfähigkeit aller Beteiligten. Der Ausschußvorsitzende Finkelnburg (CDU) hält „persönlich“ Befürchtungen für übertrieben, daß Landes- und Bundesrecht auseinanderdriften könnten. Er verlasse sich auf die Bundestreue der Richter. Die Opposition, insbesondere die AL, bekennt sich nun zur Rechtseinheit mit dem Bund und trennt sich von der SEW und dem ihr nahestehenden Flügel aus der eigenen Partei ab. Die SPD sucht inzwischen auch nach Wegen, das eine - den Rechtsschutz - zu tun und das andere den Status - nicht zu lassen.

Rita Herrmanns