Thomas Virnich

Niemandem, der in den letzten Jahren Galerien und zeitgenössische Museen besucht hat, ist entgangen, wie glatt, industriell und symbolisch beladen die Skulpturen jüngerer Künstler sind. Ganz anders die Objekte von Thomas Virnich, zerbrechliche Rätsel, die nur noch entfernt an die Fundobjekte erinnern, mit denen Virnich seine Arbeit jeweils begann: Instrumente, Spiel- und Werkzeug.

Thomas Virnich, Jahrgang 1957, hat in den letzten Jahren Erfolg gehabt: Teilnahme an der „documenta 8“ (Kassel) und an „Zeitlos„; Einzelausstellungen im Münchner „Kunstraum“ (1986) und jetzt, bis zum 5.Februar, im Bonner Kunstverein. Vertreten wird Virnich von der renommierten Berliner Galerie Fahnemann.

Es gibt Arbeitstechniken, die im Hinterkopf zu haben es erleichtert, Virnichs Objekte zu verstehen. Vor einigen Jahren bastelte er „Flieger“, „Autos“ und „Bomber“, die nur entfernt an ihre industriellen Vorlagen erinnern. Für diese Objekte baute Virnich Kisten, deren Innenraum so ausgestattet war, daß die Objekte jeweils direkt umschlossen wurden. So kam Virnich auf die Gegenform, deren Möglichkeiten er durch Abformungen an Fundstücken, in Ton und Blech, erkundete. Gleichzeitig interessierte ihn alles, was sich als geschlossene Form präsentierte: er zerteilte einen Kontrabaß. So erscheint der einst geschlossene Körper selbst als Hülle, das Eingeschlossene als Form; und ob etwas „innen“ oder „außen“ ist, erschien nun als Ansichtssache. So entwikkelte Virnich eine subtile, eher „gearbeitete“ als „entworfene“ Kritik an der Moderne und ihrem konstruktiven Zugriff auf den Raum.

Dieses Gespräch mit Thomas Virnich kreist um das Werk „Amerigo Vespucci“. Überreste eines Ruderbootes, dessen eines Teil die Aufschrift „Vespucci“ trug, fand Virnich in Florenz am Ufer des Arno. Die einzelnen Teile beschwerte er mit Blei, formte die so neugewonnenen Teile mit einseitig geöffneten Blechbeschlägen ab und füllte die offenen Blechformen mit gefärbtem Ton; wobei er die Tonformen wieder löste und sämtliche Objekte nun im Bonner Kunstverein als Installation ausgelegt hat. Die Reste des Bootes erscheinen nun dreifach. Indem Virnich die Objekte weiterverarbeitet bis an die Grenze des Formverlusts, weist er zurück auf die Regeln und Grenzen der Zivilisation, in der jedes Objekt den Prozeß seiner Hervorbringung wie eine Metapher in sich trägt. Dies zu leugnen, heißt die Welt unbrauchbar zu machen.

Ulf Erdmann Ziegler