Begann die Iran-Contra-Affäre schon im Oktober 1980?

■ Nach Gerüchten in US-Medien soll die Reagan-Wahlkampf-Kampagne die Geiseln in der Teheraner US-Botschaft gegen Jimmy Carter ausgespielt haben / Reagans Arbeitsgruppe soll geheime Absprachen mit dem Khomeini-Regime getroffen haben / Bani-Sadr behauptet, mit George Bush verhandelt zu haben

„Einige hochgestellte Regierungsmitglieder wären nicht überrascht“, schrieb die 'Washington Post‘ knapp drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl 1980, „wenn die Krise um die Geiseln in der Teheraner US-Botschaft in den nächsten zwei bis drei Wochen gelöst werden könnte“. Doch die Hoffnung war verfrüht.

Fast ein Jahr schon befanden sich zu jenem Zeitpunkt 52 Mitarbeiter der US-Botschaft in der Gewalt radikaler, Khomeini-treuer Studenten. Mit jedem Tag wuchs die politische Blamage für den amtierenden Präsidenten Jimmy Carter.

Vor allem war klar, daß Carters immer fraglichere Wiederwahl am ehesten durch eine Lösung der Geiselkrise noch vor der Wahl sichergestellt werden könnte. Die Gerüchte über ein überraschendes gutes Ende der Affaire rissen nicht ab. Carters Gegner Ronald Reagan und sein Wahlkampfstab fürchteten eine „October Surprise“ mehr als alles andere. Zumindest wollten sie auf eventuelle Überraschungen vorbereitet sein: seit September 1980 existierte eine spezielle Arbeitsgruppe in Reagans Wahlkampfteam, die alle Informationen über Carters Geisel-Politik zusammentragen sollte. Mitglieder dieser „October Surprise„-Gruppe waren unter anderem Bill Casey, der spätere CIA-Chef, Richard Allen, Reagans erster Sicherheitsberater, sowie Fred Ikle, der einen hohen Posten im Pentagon bekam.

Einer der größten Erfolge dieser Arbeitsgruppe war, in den Besitz der Unterlagen zu gelangen, mit denen Carter sich auf seine Fernsehdebatte mit Reagan vorbereitete. Auch in Bezug auf die Teheraner Geiseln war die Arbeitsgruppe effektiv, sie verfügte über Informanten in der CIA, der DIA (dem Geheimdienst des Pentagon), dem Nationalen Sicherheitsrat, ja selbst im Krisenraum des Weißen Hauses. Reagan-treue Militärs meldeten sogar verdächtige Bewegungen auf den Armee -Flughäfen.

Der Iran, seit dem September in seinen Krieg mit dem Irak verwickelt, suchte derweil nach Wegen, an Ersatzteile für sein aus den USA stammendes Kriegsgerät zu kommen. Eine der Hauptforderungen an die USA war, für die Freilassung der Geiseln die noch vom Schah bestellten und bezahlten Waffen zu bekommen, die Carter nach der Botschaftsbesetzung hatte konfiszieren lassen.

Doch am 23. Oktober wurde diese Forderung vom Iran überraschend fallengelassen. Drei Tage zuvor hatte Reagan zum erstenmal eine Wahlkampfabsprache gebrochen und Carter direkt wegen der langen Haft der Geiseln kritisiert. Am 22. Oktober wurde eine Wahlkampfmitarbeiterin Reagans Zeugin einer Bemerkung, man brauche sich keine Sorgen mehr über eine „October Surprise“ zu machen: „Dick“, womit angeblich Richard Allen gemeint war, „hat einen Deal gemacht“.

Was war geschehen? In den letzten Wochen ist wiederholt in amerikanischen Medien die These erörtert worden, daß Reagans Stab im Oktober einen geheimen Handel mit Khomeini gemacht hat: die Geiseln werden nicht an Carter freigelassen, sondern an Reagan, dafür erhält der Iran die erwünschten Waffen. Die Reagan-Mitarbeiter Allen und McFarlane haben zugegeben, daß ihnen Anfang Oktober 1980 in Washington ein solcher Deal von einem unbekannten iranischen Mittelsmann vorgeschlagen worden sei, sie ihn aber rundheraus abgelehnt hätten.

Doch Irans ehemaliger Präsident Bani-Sadr behauptet seit dem Bekanntwerden der Iran-Contra-Affaire im November 1986, daß bereits im Herbst 1980 ein Deal ausgehandelt wurde. Ende Oktober habe deswegen in Paris ein abschließendes Treffen stattgefunden, bei dem die Reagan-Kampagne durch niemand weniger als George Bush vertreten gewesen sei. Bani-Sadr hat keine Belege für seine Behauptungen, doch seine Version wird von mehreren US-Amerikanern bestätigt, darunter einem ehemaligen CIA-Mitarbeiter namens Harry Rupp, der zur Zeit eine langjährige Haftstrafe absitzt. Rupp behauptet, als Pilot einer Chartermaschine am 19. Oktober 1980 William Casey nach Paris geflogen und Bush dort auf dem Flughafen gesehen zu haben. Alle diese Behauptungen werden von Bush und anderen Mitarbeitern der 1980er Kampagne bestritten. Doch Ronald Reagan gewann die Wahl, die Geiseln wurden wenige Minuten nach seiner Vereidigung freigelassen, und zwei Monate nach Reagans Amtsantritt wurden die ersten Waffen - via Israel - an das Khomeini-Regime geliefert.

Stefan Schaaf