Protestflaute in Baden-Württemberg

Landesweite Demo vorläufiger Schlußpunkt des Streiks an den Universitäten in Baden-Württemberg / Quotierung umstritten / Mitbestimmung gefordert / Späth ködert mit 120-Millionen-Programm / Aktionen gehen weiter mit einem Streiktag pro Woche  ■  Aus Freiburg Benno Pilardeaux

Mit einer landesweiten Demonstration gegen „Uninotstand“ und „Wohnungsnot“ in Stuttgart setzen die StudentInnen Baden -Württembergs morgen einen vorläufigen Schlußpunkt unter den aktiven Unistreik. Zwar werden in Tübingen und Heidelberg derzeit noch einige Institute bestreikt, der Vorlesungsbetrieb in Mannheim, Konstanz und Stuttgart geht jedoch normal weiter. Charakteristisch für die Stimmung ist die Entscheidung der Vollversammlung der Freiburger Universität vom vergangenen Donnerstag, wonach an der Schwarzwalduniversität fortan nur noch „einmal pro Woche“ gestreikt werden soll.

Auch mit der Forderung nach Frauenquotierung sind sich die Studierenden des Südwest-Landes uneins. Während die StudentInnen der Hochschulen von Freiburg, Heidelberg und Tübingen die Quotierung als „eines der umstrittensten Themen“ (eine Heidelberger Asta-Vertreterin) in den Forderungskatalog ihrer Universitäten einbrachten, beschränkten sich Vollversammlungen anderer Unis darauf, lediglich „Frauenförderung“ oder „Chancengleichheit“ zu fordern. Ein solches Ergebnis ist angesichts der Tatsache, daß Frauen beispielsweise an der Stuttgarter Universität unterrepräsentiert sind, kein Wunder: Schwerpunktfächer sind dort Ingenieurs- und Naturwissenschaften. Nur etwa drei bis vier Prozent Frauen studieren derzeit Ingenieurwissenschaften an der „High-Tech-Uni“. Demnach wäre die Forderung nach einer 50prozentigen Quotierung laut dem Sprecher der dortigen Fachschaftsvertreterversammlung, Tius Trautmann, „gar nicht praktikabel“. Auch in Mannheim wird die Forderung des Berliner UNiMUT-Kongresses nach der Frauen -Quotierung nach Auskunft eines U-Asta-Sprechers „keine Mehrheit finden“. Frauen treten in Baden-Württemberg somit nicht - wie in Berlin - in der Protestszenerie in den Vordergrund. Sie sind lediglich „aktiver“ (eine Tübinger U -Asta-Vertreterin) als früher.

Einig sind sich dagegen die HochschülerInnen des Landes in ihrer Dauerforderung nach der Wiedereinführung der 1977 abgeschafften „verfaßten Studierendenschaft“ (vormals Studentenschaft). Seit dieser Zeit sieht es mit der Mitbestimmung an Baden-Württembergs Universitäten düster aus. Eins zu neun beträgt das Verhältnis Studierender Lehrkörper im kleinen Senat, Eins zu fünf im Fakultätsrat. Damit gibt es in Baden-Württemberg, ebenso wie in Bayern, praktisch keine studentische Mitbestimmung an den Hochschulen.

Die hochschulpolitischen Gruppen haben bei der Organisation der Proteste so gut wie keine Rolle gespielt. So organisiert sich der Uniprotest in Stuttgart und Tübingen beispielsweise über ein Rätesystem: Fachschaftsdelegierte der einzelnen Fachbereiche leisten „dezentrale Basisarbeit“. Auch in Heidelberg läuft die Organisation über „Fachschaftsabgeordnete“. Getragen wurde der StudentInnenstreik vor allem von den Geistes- und Sozialwissenschaften. An der Universität Mannheim etwa, die einen Anteil von 45Prozent Betriebswirtschaftlern hat, kam es nie zu einem aktiven Streik. Und Stuttgarter StudentInnen beurteilen die Studiensituation sogar als „relativ gut“. Die Universität der Landeshauptstadt hat das zweithöchste Drittmittelaufkommen in der Bundesrepublik. Damit ist sie finanziell privilegiert.

Mit der Frage nach Erfolgsaussichten und Perspektiven erhärtet sich der Verdacht, daß die Geistes- und Sozialwissenschaftler für das Wohl ihrer KommilitonInnen der Wirtschaftswissenschaften, Informatik und Naturwissenschaften gestreikt haben. Just in diesen Tagen nämlich wartet der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) mit einem 120-Mio.-Mark-Programm für die Hochschulen des Landes auf: 71,5Mio. Mark werden demnach für 1.600 neue Studienplätze in den Fächern Betriebswirtschaft und Informatik bereitgestellt. Für die Berufsakademien stehen 10,5 Mio. Mark zur Verfügung. Die Rektoren unterstützen die materiellen Forderungen der StudentInnen. Angesichts des Abflauens der Proteste in Baden-Württemberg ist es allerdings fraglich, ob die von der Landes-Asten -Konferenz für die Demonstration in Stuttgart aufgestellten Forderungen nach „Mitbestimmung“ und „selbstbestimmten Studium“ Aussicht auf Erfolg haben werden. Obwohl der Streik nun fast zu Ende ist, sollen weitere Aktionen stattfinden, z.B. öffentliche Vorlesungen sowie eine autonome „Frühlingsuniversität“ im nächsten Semester.

Demonstration in Stuttgart: Treffpunkt im Stadtgarten um 13 Uhr 30. Abschlußkundgebung 16 Uhr auf dem Marktplatz.