Gas-Maskerade

■ „Gerichtsverwertbar“: Ausrede der Bundesregierung

Manchmal ist ein einziges Wort vielsagender als langatmige Erklärungen. Als wäre es das Konzentrat eines politischen Prozesses, entstanden zwar nebenbei im Alltag politischer Verlautbarungen, aber dennoch genial wie das Produkt eines PR-Strategen. Im Gespinst von Lügen und Verschleierungen um die deutsche Beteiligung an Kampfstoffproduktion heißt dieses Wörtchen: „gerichtsverwertbar“. „Gerichtsverwertbar“

-variiert auch in der sprachlichen Neuschöpfung „gerichtsfest“ - seien die Beweise nämlich dafür nicht, so versichert es die Bundesregierung in immer kürzeren Abständen und je mehr sich die Beweise häufen. Auf den ersten Blick drängen sich banale Vergleiche auf: etwa der mit Ingrid Strobl. Da reicht der Kauf eines Weckers, um sie ein Jahr in Haft zu halten und ihr demnächst den Prozeß zu machen. Die Frage der Gerichtsverwertbarkeit ist also eine politische, aber das ist so neu ja nicht.

Aufschlußreicher ist die politische Pose, in die sich die Regierung mit Hilfe dieses einen Wörtchens geworfen hat. Die vormals Angeklagte ist Ankläger und Richter in einer Person geworden - und pocht auf Rechtsstaatlichkeit in diesem imaginären Prozeß der vertauschten Rollen. Die schlaue Dummdreistigkeit, die der Gerichts-Vokabel anhaftet, macht sie zu einem typischen Kohl-Wort. Aus des Kanzlers „unentrinnbarer Gegenwart der Geschichte“, die vor allem die Geschichte deutscher Gaslieferanten ist, entrinnt ihm nur die neudeutsche Anmaßung: alle Zusammenhänge, die es zwischen den Worten „Gas“, „deutsch“ und „verwertbar“ einmal gab, zu vergessen und auf die politische Strafprozeßordnung im Land der Schädlingsbekämpfer zu vertrauen.

Charlotte Wiedemann