SPD: „Kehrt Marsch, Rückzug!“

Dortmunds Sozialdemokraten lehnen plötzlich Ehrung eines Deserteurs durch geplante Straßenumbenennung ab / Dabei stützen sie sich auf eine CDU-Umfrage unter Anwohnern  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Dortmunds Sozialdemokraten bleiben sich und unrühmlichen Passagen ihrer Weimarer Geschichte treu. Mit den Worten: „Ein Staat muß auch mit seinen negativen Seiten leben können“ begründet Bezirksvorsteher Hermann König (SPD) die Entscheidung seiner Fraktion, heute nachmittag in der Bezirksvertretung den Beschluß zur Umbenennung der „Reichswehrstraße“ zurückzunehmen.

Im Herbst hatte das Stadtteilparlament auf Initiative der Grünen beschlossen, die Straße künftig nach dem 1987 verstorbenen Dortmunder Deserteur Alfons Spielhoff zu nennen.

Damals war man sich einig, den Nazi-Gegner und Mitbegründer der Humanistischen Union - er war 1944 aus der Wehrmacht desertiert - stellvertretend für Gegner und Opfer des Militarismus zu ehren. Doch die für Dortmund ungewöhnliche rot-grüne Koalition hatte die Rechnung ohne die CDU gemacht. Sie wollte die historische Schmach zugunsten der „Feiglinge, Vaterlandsverräter und Kameradenschweine“ nicht hinnehmen. Also schwärmten die christlichen Kämpfer aus in die Reichswehrstraße. Deren etwa 400 AnwohnerInnen hatten Wochen zuvor eine aufklärende Broschüre der Grünen offenbar direkt vom Briefkasten in den Mülleimer befördert. Über die Reichswehr, „das kleine Heer der Weimarer Republik“ (CDU), erfuhren die Heimgesuchten von der CDU nichts. Dafür umso mehr über die Kosten der Straßenumbenennung. Mit der freien Erfindung, die neuen Straßenschilder würden jeden Haushalt 500 bis 700 Mark kosten, gingen die Konservativen hausieren. Ergebnis der „Umfrage“ unter 100 Menschen: 87 Prozent waren gegen eine Straßenumbenennung. Da brach er sich endlich Bahn, der „Bürgerwille“, der den Sozialdemokraten prinzipiell, zehn Monate vor der Kommunalwahl aber besonders heilig ist. „Wir werden einen Deubel tun und gegen die absolute Mehrheit handeln“, sagt Hermann König, auch wenn er genau weiß, daß diese „Mehrheit mit unlauteren Mitteln zustande gekommen ist“. Hatte es wochenlanger Überzeugungsarbeit der Grünen bedurft, bevor die SPD sich mit dem Gedanken der Straßenumbennung anfreunden konnte, so kann es ihr jetzt nicht schnell genug gehen, „die Kuh vom Eis zu ziehen“. Ohne das Ende der offiziellen Einspruchsfrist abzuwarten wird die Partei heute mit den Stimmen der CDU die Straßenumbenennung widerrufen. „Wir müssen den Bürger beruhigen, danach kann man immer noch ein Seminar über die Reichswehr machen“, sagt Genosse König abschließend. Bei „passender Gelegenheit“ werde man auf den Deserteur Spielhoff zurückkommen.