Lassen Sie sich nicht mehrfach erwischen!

taz präsentiert: den detaillierten Bußgeldkatalog für Verkehrsdelikte in der DDR / WiederholungstäterInnen zahlen mehr  ■  Aus Hamburg Axel Kintzinger

Berlin-Reisende kennen das: der Tempobegrenzung von 100 Stundenkilometern überdrüssig geworden, erhöht man die Geschwindigkeit auf den Transitstrecken auf vielleicht 120 km/h und muß, sofern der Radarwagen nicht rechtzeitig entdeckt werden konnte, an der nächsten Kontrollstelle tief ins Portemonnaie greifen. Was Berlin-Reisende auch kennen: Man zahlt dabei selten den gleichen Preis.

AutofahrerInnen werden vollends zur Weißglut getrieben, wenn sie auch noch mehr berappen müssen als der schnittige BMW-Fahrer, der sie gerade überholt hat. Auf diese Merkwürdigkeiten angesprochen, reagieren Volkspolizisten mit preußischer Ignoranz, auch die Frage nach dem gültigen Bußgeldkatalog ist bislang noch nicht beantwortet worden.

Aber: Es gibt ihn. „Orientierungswerte für einzuleitende Maßnahmen bei Verkehrsdelikten“ heißt die jüngste Auflistung - „verbindlich ab 1.1.89“ -, die der taz vorliegt. Die wichtigste Erkenntnis daraus: Lassen Sie sich nicht mehrfach erwischen! Denn während bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 10 bis 15km/h beim ersten Mal zehn Mark bezahlt werden müssen, sind es im Wiederholungsfalle 30 bis 40 Mark - ohne Gefährdung und „VKU“, was laut DDR-Verordnung Verkehrsunfall bedeutet.

Allerdings: Wiederholungsgefahr besteht in erster Linie bei DDR-BürgerInnen. Die bekommen neben dem Bußgeld nämlich auch noch Stempel in den Führerschein - wenn sie fünf Stempel gesammelt haben, werden sie mit „FE“ (Fahrerlaubnisentzug) für ein Jahr bestraft.

Die weiteren Maßnahmen: bei Geschwindigkeitsüberschreitung

-um 15 bis 30 km/h: 20 bis 30 Mark; - um 30 bis 40 km/h: 40 bis 60 Mark; - um mehr als 40 km/h: 60 bis 90 Mark.

Drastischer bestraft werden AutofahrerInnen, die gegen die 0,0-Promille-Grenze verstoßen haben. Schon bei bis zu 0,5 Promille Alkohol im Blut muß man den Lappen abgeben (12-18 Monate FE“) und zusätzlich 200 bis 400 Mark zahlen.

Wer zwischen ein und zwei Promille intus hat, zahlt 300 bis 600 Mark und muß für zwei Jahre auf den Führerschein verzichten. Ab zwei Promille kommt es ganz dicke: 400 bis 700 Mark Bußgeld und „FE“ für 30 Monate. WiederholungstäterInnen können ihr Auto gleich verkaufen bis zu drei Jahre Führerscheinentzug (und 1.000 Mark Strafe) sieht der DDR-Bußgeldkatalog für notorische Schluckspechte vor.

Für bundesdeutsche Verhältnisse milde Bestrafung finden die Rotlichtsünder. 40 bis 50 Mark muß bezahlen, wer dabei ertappt wird, eine rote Ampel zu mißachten - empfindsamere Strafen drohen erst bei Wiederholung. Fast ebenso teuer (30 bis 50 Mark) kann es werden, wenn eine „Trennlinie“ - nach hiesigem Sprachgebrauch wohl eine durchgezogene Linie befahren wird.

Empfindliche Strafe droht auf dem Lande: Wer eine Eisenbahnüberführung noch dann überquert, wenn die Schranke sich schon schließt, verliert den Führerschein für drei Monate. An eine Geldstrafe hat man hierbei nicht gedacht, zumindest taucht sie im Bußgeldkatalog für dieses Vergehen nicht auf.

Für Bundesdeutsche und WestberlinerInnen gilt nach wie vor: Bezahlt wird in Westmark. Auf der Stelle.