Hunnimanische Schamanen

■ „Die rasenden Leichenbeschauer“ tauchen heute abend in Bremen aus dem ungarischen Untergrund auf, um ihr Publikum zu ungehobeltem Verhalten zu animieren

Punk, Ekstase, Schamanen.

Wenn eine Band mit solchen Attributen belegt wird und aus dem ungarischen Underground kommt, dann muß sie auch einen ungewöhnlichen Namen haben. Vagtazo Halottkemek, oder auch, für unsere Ohren verständlich: Die Rasenden Leichenbeschauer. „Ekstatische Wildheit, die an kultische Handlungen anknüpft, die über Jahrhunderte hinweg von anderen musikkulturellen Schichten überdeckt wurde“, wird dem nekrophilen Sextett blumig unterstellt und daran ist durchaus etwas Wahres. Denn Attila Grandpierre und seine Freunde sind beileibe keine Unbekannten mehr in Bremen.

Schon vor vier Jahre gastierten sie an gleicher Stelle, und nicht wenigen ist dieser Auftritt noch gut im Gehör. Von Punk-Avantgarde war damals die Rede, von besessener Musik und immer wieder war alles ebenso manisch wie schamanisch.

Das ist auch noch heute so. Ohne Frage haben die sechs Musiker sich weiterentwickelt, die vielen Westreisen haben prägende Eindrücke hinterlassen.

Doch angepaßt oder gar verkaufszahlen-orientiert sind die Ungarn auf keinen Fall.

Noch immer beziehen sie sich auf die Musik der Hunnen immerhin eine Musikkultur, die über 2.000 Jahre alt ist -, die ungefähr so geklungen haben muß, als wenn zu einer rhythmischen Musik Stimmen ertönten, die sich alle Mühe gaben, so laut und so inbrünstig zu schreien, wie möglich. Dazu ertönen verschiedene Glockenklänge und Percussions -Instrumente mit immer wiederkehrenden Stampf-Mustern.

Oft unterstützen Videofilme den Sänger, die zwei Gitarren, den Bassisten und den Congaspieler. Die Live-Mitschnitte ihrer Gigs sind mittlerweile Klassiker, nicht zuletzt wegen des oftmals recht ungehobelten Verhaltens der RezipientInnen. Genau dies ist aber der beabsichtigte Effekt der Rasenden Leichenbeschauer, denen so etwas genau ins Konzept paßt. Den Funktionären in der Heimat waren solche happenings immer ein Dorn im Auge, seit nunmehr dreizehn Jahren wachen die gestrengen Hüter einer sauberen sozialistischen Moral, ohne

großen Erfolg allerdings.

So kann auch das Bremer Publikum ein Konzertereignis von urwüchsiger Kraft erwarten, zwischen mystischem Urschrei und Sphärengewaber bis hin zum Rhythmusteppich nach Ethno-Art. Heute, ab 21 Uhr im Römer.

Jürgen Francke