piwik no script img

DAS TIER HAT GESIEGT

■ „Lava“, ein Hörspiel von Stefan Schomann

Das Paradies suchten 1929 der Berliner Zahnarzt Friedrich Ritter und seine Freundin Dore, als sie sich auf der Galapagosinsel Floreana niederließen. Drei Jahre später traf dort die bürgerliche Familie Wittmer aus Köln ein. Kurz darauf war es endgültig vorbei mit dem Frieden im Garten Eden, erschien nämlich urplötzlich eine sogenannte Baronin mit zwei halbseidenen Kavalieren auf der Insel. Intrigen, Terror und Kommerzialisierung hielten Einzug. Danach verschwand die Dame mit einem ihrer Begleiter auf mysteriöse Weise. Zum Schluß stirbt der Zahnarzt. Unfall oder Mord?

Aus diesem authentischen Stoff läßt sich entweder ein Krimi machen, wie Simenon es getan hat, oder aber ein Hörspiel. Stefan Schomanns Erstlingswerk orientiert sich weitgehend an dem überlieferten Material, wobei Ungereimtheiten mit großem dramaturgischen Geschick überbrückt werden. Unter der Regie von Bärbel Jarchow-Frey entstand daraus der durchaus hörenswerte Beweis dafür, daß es für den Menschen keine Flucht vor sich selbst gibt. Sobald die sirrende, flirrende, Back-to-the-roots-Seligkeit ihr Ende gefunden hat, bricht, fernab der Zivilisation, schließlich das Animalische aus den Menschen hervor: der Haß, die Besitzgier und der Wille zur gegenseitigen psychischen Vernichtung.

Zu Anfang weist das Stück noch einige Schwächen auf: langatmige Banalitäten betonen wieder und wieder die Klischeehaftigkeit der Figuren, und auch ironische Momente gleiten gerne ab in platten Witz. Aber mit fortlaufender Handlung verdichtet sich die Atmosphäre. Der Baronin vergehen ihre frivolen Macha-Allüren, den anderen der Glaube an ihr Paradies. Nur Familie Wittmer schafft sich „un poco Colonia“ und bekommt von allem nur die Hälfte mit. Auch ein klein bißchen Nestbeschmutzung haben sich Regisseurin und Autor erlaubt: als Karikatur seiner Gattung schleicht Gerd Wameling als Hörfunkjournalist Böck aus Berlin immer wieder sensationshungrig durchs Gebüsch.

Am Ende gibt es zwei Verschollene, ebensoviele Tote und eine Geistesverwirrte. Nur die Wittmers sitzen wohl in der dritten oder vierten Generation heute noch auf Floreana...

Besondere Erwähnung verdient noch Christine Prober, die als österreichische Domina der Möchtegern-Baronin unsympathische Glaubwürdigkeit verleiht.

Petra Kohse

Lava, Hörspiel von Stefan Schomann, Regie: Bärbel Jarchow -Frey, Mittwoch, 20.30 Uhr, auf Rias I.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen