DIE BAUHAUS-WIEDERGÄNGER

■ Die Erben der Bauhaus-Konzepte im Schauplatz Museum

Zur Bauhaus-Soiree, ein Abschlußfest der Reihe „Schauplatz Museum“, trat die „BilderBühneBauhaus“ auf, eine Hommage und szenische Komposition von Helfried Foron. „Der Mensch und sein gymnastisches Gerät“ könnte man die 15 Szenen untertiteln. Während mit einer geradezu priesterlichen Betulichkeit, als gehe es um heilige Handlungen, mit elastischen Bändern ein Würfel und seine räumlichen Varianten durchexerziert wurden, bewies das Publikum die Elastizität seiner Geduld. Die Darsteller fungierten als Hilfsmechaniker, im schwarzen engen Überzug nahezu unsichtbar gemacht. Für den Blick sollten nur die weißen Stäbe oder die Manöver der farbigen Dreiecke existieren: der Mensch als Träger von Form, Farbe und Licht. Doch ein perverses Erleben stellte sich dabei ein: Jedes unregelmäßige Ruckeln der farbigen Flächen, das den Mensch dahinter verriet, erzeugte ungewollt Komik und Heiterkeit; zwischen der Symmetrie der Linien und den auf wenige Grundelemente reduzierten geometrischen Formen störte plötzlich der kurvenreiche menschliche Speck, und die Asymmetrie eines weiblichen Busens fiel als Fehler ins Auge. Sei es durch das Ungenügen der Spieler an ihrer Funktion von Objektbewegern, sei es aus der Erschöpfung des geometrischen Grundvokabulars nach beinahe zwei Stunden, zum Schluß und Höhepunkt der Szenenfolge wurde das Spiel der Form- und Farbelemente anthropomorphisiert und bezog aus der Wiedererkennbarkeit menschlicher Eigenschaften seinen Witz.

Peter Simhandl, Professor an der HdK, hatte zuvor in seinem Vortrag über die Geschichte der BilderBühnen, der vergnüglicher war als die Sache selbst, für die Konjunktur der Bauhausbühnen ebenso wie für die Bildertheater von Freyer oder Wilson Motive benannt. Es wachse in einem Leben, das seine Wahrnehmungen durch das Raster schon fertiger Bilder filtere und in dem jedes Erleben wie aus zweiter Hand sei, der Hunger nach einem authentischen Ereignis. Ihn solle die künstlerische Vision befriedigen. Doch gerade Authentizität bescheren die Bauhaus-Rekonstruktionen nicht, und wie sollten sie auch zu einem neuen Sehen befreien, denn der Zuschauer heute sucht in ihnen unwillkürlich nach dem inzwischen Bekannten und entdeckt in ihnen bestenfalls bewegte Assoziationen zu Bildern von Klee, Kandinsky und Mondrian. Noch weniger vermitteln authentisches Erleben die technisch voll durchorganisierten Varianten der Bauhaus -Pläne, wie es zum Beispiel das Düsseldorfer „Theater der Klänge“ mit der „Mechanischen Exzentrik“ zeigte. Wird der Mensch als Hilfsmechaniker überflüssig, ist er „nur der Mann am Schaltbrett, unsichtbar und unpersönlich“ (Schlemmer), gibt es also nur den vorher berechneten Ablauf zu sehen, so ist dies ungefähr so aufregend und lebendig, wie einen Computer beim Rechnen zu beobachten.

In den Bauhaus-Konzepten erhielt die Mechanik ihren Stellenwert zum einen als evidentes Mittel, Rationalität und Funktionalität zu beweisen, zum anderen als romantische Spiegelung der Lebensenergien. Jetzt auf die Bühne gebracht, erscheint sie eher als Selbstzweck und Selbstbefriedigungsapparat, der weder funktional noch rational zu nennen wäre. An der Stelle ihrer metaphysischen Bedeutung gähnt hingegen meistens ein zwar bedeutungsschwanger aufgeblähtes, nichtsdestotrotz aber leeres Loch.

Einen anderen wahren Erben der Bauhaus-Konzepte, des künstlerischen Erfindens aus Licht und Farbe pur, der Öffnung neuer Dimensionen, der vollen Ausnutzung des technisch Möglichen stellte Mike Steiner vor: die Videokünstler. Den Film wies er als Technik des 19.Jahrhunderts, vom Fernsehen in einem 1:1-Naturalismus verschlissen und als thematischen Transporteur verbraucht zurück. Mutig sprang Steiner von Zitat zu Zitat der Künstler der zwanziger Jahre, um aus ihnen die Theorie von der Lichtkunst des 20.Jahrhunderts zu kneten, deren Realisierung er in Videos vorführte. Seine Beispiele aber bezeugten zum Teil eher die Verführbarkeit durch das Machbare: ein Bilder -overkill rast auf den Betrachter zu, durchbohrt seine wehrlos gewordenen Augen und füllt ihn wie ein hohles Gefäß mit Licht und mit Farbe. Musik dient als Kleister und um der disperaten Bilderflut Struktur zu verleihen.

Der Bildschirm als authentische Erlebnisquelle? Steiners Utopie vom kostenlosen Satelliten für die Künstler, der mit Lichtgeschwindigkeit gerade erfundene und noch nie gesehene Bilder demokratisch an jeden versendet, abstrahiert denn doch recht großzügig von der Eigenschaft der Technologie, Kapitalanlage und somit profitpflichtig zu sein.

Die sozialpolitische Dimension der Bauhaus-Konzepte, die auch die freiere Verfügbarkeit über die Produktionsmittel zu reflektieren implizierten, scheint bei den Wiederbelebungsversuchen oft blauäugig übersprungen zu werden. Gerade in der Geschichte des Besessenwerdens der technischen Mittel und ihres Gebrauchs aber könnte man auch den Schlüssel dazu finden, warum sie als Kunstobjekt, das sich in der Darstellung der eigenen Schönheit und Mannigfaltigkeit erschöpfen soll, nicht taugt.

Katrin Bettina Müller