Lieb zu Oskar

■ Hoffnungsträger Lafontaine fand Sympathie bei den Studenten - trotz einer alten Rede

Schon kurz vor sieben ist der große Saal im ersten Stock des Ernst-Reuter-Hauses brechend voll. „Bloß raus in die Cafeteria, da hören wir alles und können wenigstens noch einen Kaffee trinken“, stöhnt ein Mann, der mit seiner Freundin direkt hinter einer der drei Saaltüren im Gewühle steckt. Diese ist entrüstet: „Ich möchte ihn doch wenigstens mal sehen!“

„Ihn“ - das ist der neue Hoffnungsträger der SPD. „Oskar“ Lafontaine wurde am Montag abend unter den Studenten herumgereicht; die Jusos hatten für ihn fleißig Plakate geklebt. Auf einigen Plakaten wurde er zwar für das Audi-Max in der TU angekündigt, doch weil die Streikenden in ihren „beFreiten“ Räumen keinen Wahlkampf haben wollen, wurde „Oskar“ samt Studentenschaft verlegt.

Er kam alleine, ohne ein Sternchen von den Berliner Genossen. Der Andrang war groß, doch sehr aufregend geriet Lafontaines Auftritt nicht. Er referierte seine bereits bekannten Thesen zur „Zukunft der Arbeit“ („Zentrierung der Theoriebildung auf Erwerbsarbeit ist nicht mehr zeitgemäß“); forderte eine „grundsätzliche Reform des Bildungssystems“ („Prinzip des lebenslangen Lernens wird die Zukunft noch stärker prägen“), lobte die Gesamtschule („Die Idee der sozialen Gerechtigkeit bleibt richtig“) und versprach den StudentInnen, daß die SPD, in Bonn erst wieder an der Regierung, die Bafög-Kürzungen wieder rückgängig machen werde. Arbeitslosigkeit sei vor allem „ein Verteilungsproblem“: Es sei möglich, verbindliche Neueinstellungen zu erlangen, wenn etwa die Lehrer bei der Arbeitszeitverkürzung Lohnverzicht übten.

Überhaupt wurde „Oskar“ viel beklatscht (wenn auch nicht immer sehr euphorisch), und kein einziges Mal auch nur ein bißchen ausgepfiffen. Lieb und freundlich gingen sie mit „dem Oskar“ um. Sie haben ihn auch lieber nicht gefragt, wie seine Berliner Genossen denn die (mitverschuldete) hochschulpolitische Misere zu lösen gedenken.

Ursel Sieber