Bayerns Studierende kommen in Schwung

■ An den Hochschulen in Erlangen und München wird schon gestreikt / In Augsburg und Würzburg finden noch in dieser Woche erste Vollversammlungen statt / Quotierung und Frauenforschung sind nicht überall Thema / Verfaßte StudentInnenschaft wird gefordert

München (taz) - München im UNiMUT-Januar: Bildungsminister Möllemann muß im großen Hörsaal der Ludwig-Maximilian -Universität (LMU) den StudentInnen zuhören. Nach seinem tragisch-komischen Abgang versammeln sich spontan 5.000 DemonstrantInnen auf der Straße. „Knallhart“ konfrontieren sie Wissenschaftsminister Wild mit ihrem Forderungskatalog. Offenbar sind auch die bayerischen StudentInnen aufgewacht, wehren sich gegen Mißwirtschaft und Wohnraumnot, protestieren für Mitbestimmung und die Wiedereinführung der verfaßten StudentInnenschaft - bislang allerdings nur in München und Erlangen. An den Unis in Augsburg und Würzburg soll in dieser Woche in Vollversammlungen „der kritische Blick auf den Bildungsnotstand geschärft werden“, so der SHB -Landesvorsitzende Stefan Straub. In Passau und Regensburg ist „UNiMUT“ ein dem akadamischen Nachwuchs noch unbekannter Begriff.

Die Münchner TU-StudentInnen streikten gestern und heute, an der LMU wird noch über einen Streik diskutiert, und die Fachhochschule Sozialswissenschaft hat einen unbefristeten Streik beschlossen. Die formulierten Ziele an den verschiedenen Hochschulen aber sind unterschiedlich. Während an der Technischen Universität (TU) die StudentInnen ihre Hauptforderungen auf rein materielle Notstände konzentrieren, werden an der LMU zunehmend politische Forderungen laut: Die StudentInnen verlangen nicht nur mehr finanzielle Mittel, sondern auch, daß diese Gelder vom Rüstungsetat abgezogen werden müßten. Sie fordern die Absicherung durch Bafög auf Stipendienbasis sowie eine Veränderung ihrer Studieninhalte. Die Studentensprecherin im Akademischen Senat, Adelheid Rupp, sprach auf der Möllemann -Veranstaltung von einer „kritischen Ausbildung“, die angesichts von Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung und anderer existentieller Krisen die Suche nach Alternativen ermöglichen soll. Anders die KommilitonInnen von der TU: Sie wollen sich auf „hochschulpolitische und realistische Forderungen beschränken“, wie es in ihrer Streikzeitung heißt.

Die StudentInnen an der LMU beginnen darüber nachzudenken, wie Frauen an der Universität gefördert werden können. Über die Quotierung und die Einrichtung von Frauenvorlesungen soll in Arbeitskreisen diskutiert werden. In diesem Streik zeigen die Studentinnen am meisten Engagement und tragen die Hauptarbeit, wie Asta-Mitarbeiterin Angela Christ betont.

An der Universität Erlangen-Nürnberg beschloß jüngst eine Vollversammlung, den uniweiten Streik zu beenden und nur noch einzelne Aktionstage durchzuführen. Nur die rund 5.000 StudentInnen an den zwei Philosophischen Fakultäten wollen ihre Streikfahne auf bisher unbestimmte Zeit weiter aus dem Fenster halten - „für mehr universitäre Demokratie“. Der Streik soll auf die „miserable Situation besonders in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften“ hinweisen. Außerdem wollen sie „alternative Hochschulmodelle“ entwickeln und in „autonomen Seminaren“ selbstbestimmtes Lernen einüben. Zum Frauenthema werden in Erlangen klare Vorstellungen formuliert. Gefordert wird die gezielte Förderung des Frauenstudiums durch einen „direkten proportionalen Frauenanteil des wissenschaftlichen Personals in Relation zur Anzahl der StudentInnen“. Frauenvorlesungen sollen eingerichtet und finanziell abgestützt werden. Aber auch eine verfaßte StudentInnenschaft wird gefordert mit politischem Mandat, mit Satzungs- und Finanzhoheit. Unipräsident Nikolaus Fiebinger warnte die StudentInnen, daß sie „die bereits erzielte Wirkung ins Gegenteil verkehren“, wenn sie studentischen Protest gegen unzumutbare Studienbedingungen mit der Artikulation allgemeinpolitischer Ziele und Forderungen verknüpften.

Walter Zimmermann-Hedewig