Bewegung aus der Starre

■ Uni-Streik: VV der ChemiestudentInnen zeigte neuen Muff auch ohne Talare Unterstützung unzufriedener Profs und WiMis / BiologInnen in Diskurszwang

Ein paar Meter weiter rauscht das wilde Besetzerleben im Gebäude der Biolog- und ChemikerInnen, und hier, im Bibliothekshörsaal, sitzen die ChemiestudentInnen wohlerzogen in Reih und Glied und hören sich lobende Worte von Rektor und Konrektor an und - genauso reaktionslos - vom starken Mann des professoralen Triumvirates ihres Fachbereiches, Prof. Leibfritz, daß er, was die Studenten fordern, schon vor 10 Jahren gedacht hat. So scheint es zu sein, aber so ist es nicht.

In der Gedämpftheit der StudentInnen, in der Milde, in der ihr Vertreter nochmal die Beschwerden über die Ausbildung der Chemiker auflistet, drückt sich aus, was sich damit gleichzeitig ein Stück weit lockert: das Ohnmachts -Verhältnis einer studentischen Masse von „Einzelkämpfern“ gegenüber einer wiedererstandenen, reaktionären Professorenautokratie, deren Existenz an der ehemaligen Bremer Reformmuni ich vor diesen Streik- und Besetzungstagen nicht geglaubt hätte. Das Klima, das in den Praktika herrsche, beschrieb ein wissenschaftlicher Mitarbeiter als „Angst“, und leider sei das keine Angst vor den gefährlichen Chemikalien.

Daß die Starre aufgehört hat, in der alle stumm ihre Ingredienzen vor sich hinkochen, daß man sich endlich über die eigene Situation verständigen kann, halten viele

ChemikerInnen für das große Plus der NW 2-Besetzung, die sie nicht begonnen haben. Unüberhörbar deshalb in der Latte der konkreten Forderungen der Studenten diejenige nach dem Ende der Ausbildung zu „Einzelkämpfern“, nach Tutorien, in denen diskutiert werden kann, nach Ausbildungsinhalten, die nicht einseitig die Forschungssteckenpferde der Professoren gegenüber den Ausbildungsinteressen der Studenten bevorteilen, danach, daß die BGW-Bestandteile, also die berufspraktischen, gesellschaftstheoretischen und wissenschaftstheoretischen, nicht durch, dazu miserable, Einführungen in die anorganische Chemie ersetzt werden. Und: Die Entsorgung der giftigen Lösungsmittel sei schlecht in NW 2, und an Umweltschutz werde sowenig gedacht wie an die gesundheit

lichen Gefährdungen, wenn 4 verschiedene Praktika im gleichen Großraum stattfinden.

Zu sehen war auf der Vollversammlung, daß zwischen Triumvirat und verstummten StudentInnen noch viele andere Unzufriedene sind, wie der Prof. Wörle, der den staunenden StudentInnen sagte, daß man ihn seit Jahren systematisch aus der Grundausbildung heraushält, wie der Prof. Tiemann, der mit dem Verfahren unzufrieden ist, wie Prof. Leibfritz als Fachbereichssprecher den Diplomprüfungsentwurf über den studentischen Widerstand und an opponierenden Kollegen vorbei durchgedrückt hat, und der appelierte, den BiologInnen zu helfen, die fortschrittlichen Anteile der Prüfungsordnung zu retten.

Prof. Leibfritz hatte Kreide gefressen, versprach, eine Ausspra

che mit festem Termin zu institutionalisieren, gab zu, daß die Lehre einseitig von den Forschungsinteressen strukturiert werde. Der Rektor sagte Hilfe zu für die materielle Verbesserung der Praktika und Bemühungen auch um Bonner Gelder für einen Neubau für die Chemiker, dessen Kosten er auf 30 Mill. schätzte.

Den Rektor und v.a. das Triumvirat vor die Vollversammlung geholt zu haben, ist ein Erfolg der ChemiestudentInnen, der die verhärteten Verhältnisse bei den BiologInnen ebenfalls in Bewegung gesetzt hat. Eine gemeinsame VV von BiologInnen und ChemikerInnen beschloß danach, die Besetzung fortzusetzen und für Freitag eine BiologInnenvollversammlung, auf der über deren Forderungen mit Professoren, Rektor und Bildungssenator verhandelt werden soll.

Uta Stolle