Der obszöne Charme des BKA

■ Über Feindbild-Frauen und verschwiegene Bedürfnisse

Manche Bilder bleiben deswegen im Gedächtnis haften, weil sie ein grelles, hartes Licht auf die Symbole der politischen Ordnung werfen. Im Moment des Anblicks vermitteln sie eine Klarheit, wie es kein noch so präziser Text vermag.

Beim jüngsten Streit zwischen den Regierungsparteien um die Sicherheitsgesetze hat die FDP unbeabsichtigt einen Begriff als kritisches Argument verwandt, der die männliche Kultur unserer Gesellschaft treffend kennzeichnet. Man sprach von einem „gewissen Ku-Klux-Klan-Denken“, das die FDP an dem Sicherheitsgesetz-Paket störte. Diese Kritiker gehen davon aus, daß der Ku-Klux-Klan als geheimer Männerbund mit seinen rassistischen brutalen Methoden gegen Schwarze im Grunde der Vergangenheit angehört und in unserer Zivilisation keinen Platz mehr hat. Wer das nebenstehende Foto sieht, wird erkennen, daß dies eine Illusion ist und auch Ausdruck einer Selbstherrlichkeit im Glauben an eine wertneutrale - nämlich geschlechtslose - Staatsordnung. Denn zu einem Ku-Klux-Klan -Denken gehört Sexismus ebenso wie Rassismus. Eine Charakterisierung, gegen die sich das Staatsschutzorgan BKA sicher wehren wird. Aber wie sonst soll man das Foto in der 'Spiegel'-Ausgabe Nr.45 vom 7.11.88 deuten?

Das Foto zeigt den BKA-Chef Boge. Man sieht ihn breitbeinig, wie auf einem Schiffsdeck stehend, im Behördenflur. Schwarzer Anzug, ein Ausweisschild ans Jackett geklemmt. Die rechte geschlossene Hand angewinkelt, den Daumen gegen den Zeigefinger gestellt, während die Miene signalisiert, daß der Behördenchef sinniert. Eine Erscheinung, die Neutralität, eben Geschlechtslosigkeit im staatlichen Sinn, ausdrückt.

Direkt neben ihm, in gleicher Augenhöhe, steht eine Frau. Das rechte Bein ist locker angewinkelt, ihre Jeans haben einen altmodischen Schnitt. Die Arme hängen locker nach unten, die Ärmel des gestreiften Pullovers sind bis zum Ellenbogen hochgeschoben. Ein Tuch ist leger um den Hals geknotet. Das Pony des schwarzen, fast schulterlangen Haares geteilt. Es ist deutlich zu sehen, daß ihre Unterlippe zusammengepreßt ist. In entschlossener Abwehr gegen den Mann, der offensichtlich am längeren Hebel sitzt?

Bei genauerem Betrachten erweist sich das ungleiche Paar auf dem 'Spiegel'-Foto als optische Täuschung. Es ist ein Irrtum insofern, als die Frau nicht wirklich neben Boge steht. Sie klebt als großes Poster auf der Behördentür. Der 'Spiegel‘ vermerkte ordnungsgemäß in einer Fußnote, daß es sich neben dem BKA-Mann um ein „Photo der RAF-Terroristin Adelheid Schulz“ handelt. Ein Ganzkörper-Foto, das wir in diesem aufwendigen Fahndungsformat in Sparkassen, auf Polizeistationen oder bei Metzgereien nicht zu sehen bekommen. Ein Foto offenbar direkt für das BKA. Das Pin-up -Format beunruhigt, weil es den Blick auf Verbotenes freigibt. Der Anblick ist peinlich, weil man uns Adelheid Schulz als Trophäe vorstellt. Diese Empfindung wird durch persönliche Erfahrungen genährt, obwohl die eigene Situation beim Schnappschuß zur erkennungsdienstlichen Behandlung im Frankfurter Polizeipräsidium wohl nicht vergleichbar ist mit der, in der sich Adelheid Schulz befunden haben muß.

Vor vierzehn Jahren machte man von uns ein Foto, weil wir das Frankfurter Goethehaus aus Protest gegen Holger Meins Tod kurzfristig besetzen mußten.

Gemeinsam mit den anderen in der Zelle befand sich die politische Absicht und das Gefühl noch in voller Übereinstimmung. Später dann, in der Mitte des Lichtkegels stehend, konnte ich meinem Protest gegen unmenschliche Haftbedingungen keinen angemessenen Ausdruck mehr verleihen, sondern schrumpfte - umsäumt von diensttuenden Polizisten. Es gab zwar auch einen Moment von Befreiung, weil man hier nicht reflexartig als freundliches Mädchen in die Kamera gucken mußte. Gültig aber war der Zustand des starren Stillhaltens und ein Gefühlsvakuum. Die Verwirrung bestand darin, daß ich nicht per Beschluß meinen feindlichen Bewachern ihr Menschsein absprechen konnte. Ausgemalt hatte ich sie mir vorher zwar als brutale Unterstützer von Knästen. Sie aber umzudeuten in Kettenhunde des weltweiten Imperialismus, war mir in dem kleinen Verhörraum beim besten Willen nicht möglich. Meine Augen sahen, daß sie in erster Linie Menschen waren und dagegen konnte ich mich nicht wehren.

Die Gegenseite, das Gegenüber schien andere Methoden zu haben, um mit einer solchen Situation umzugehen. Man betrachtete mich als seelenloses Teil eines zu bekämpfenden Prinzips, während ich gleichzeitig als Frau, besser: als Frauenkörper, taxiert wurde. Es war schwer zu ertragen und erniedrigend, sowohl als hassenswertes Nichts klassifiziert zu werden und gleichzeitig mit männlichen Blicken abgetastet zu werden. Blicke, die den eigenen Körper immer nackter werden lassen. In diesem Zustand war ich eine wehrlose Frau und nicht die militante Kämpferin, die ein stärkeres Gegenüber hatte.

Das Foto von mir in deren Händen, so fühlte ich es, war nicht einfach etwas für die Akte. Mein Bild hielten sie fest und ich konnte mich darin nicht als weiblicher Mensch erweisen, dem der Tod eines Gefangenen schwer zu schaffen machte. Das Unbehagen lag in dem Gefühl dieser Niederlage, aber damals konnte ich nicht erkennen, daß es auch eine Niederlage war, die ich als Frau erlitt. Denn in erster Linie waren die Betrachter Männer. Der männliche Blick hielt mich fest und gefangen in einem politischen System, in dem eine weibliche Symbolik keinen Platz hat. Die Ausdrucksmöglichkeit war begrenzt auf die Form des Widerstandes gegen Unmenschlichkeit - auch hier ist eine Frau scheinbar geschlechtsloses Wesen - im Sinne einer besseren Moral. Als Frau hast Du kein Mitspracherecht, aber als Frau wirst Du betrachtet, und man weiß, daß Du das minderwertige Geschlecht bist.

Das Foto von Adelheid Schulz beunruhigt, weil es den Blick auf diese Wertlosigkeit freigibt, eine Wahrheit, die im Behördenalltag normalerweise verschwiegen wird. Der Blick durchs Schlüsselloch in die Räume des BKA-Innendienstes verrät: Man hat eines dieser weiblichen Politmonster gestellt, gefangen und durch die Vergrößerung als Beutestück kenntlich gemacht. Das sogenannte staatliche Interesse will die sexuelle Komponente kaschieren. Aber so wie sie an die Türe geklebt ist - als weibliches Fahndungsmaskottchen - hat man sich unter der Hand eine (Feindbild)-Frau für die Gruppe verschafft und konnte sich gleichwohl die Hände im Fixierbad in Unschuld waschen.

Anstelle dieser Frau wäre eine Puppe aus Dr.Müllers Sex -Boutique zwar denkbar, sie würde ihren Zweck als Fetisch aber verfehlen. Denn nicht nur ein Ku-Klux-Klan braucht Symbole und Zeichen. Deswegen geht die FDP-Fraktion fehl, wenn sie dieses gewisse Denken moniert, aber nicht an die Erfüllung solcher Bedürfnisse im BKA denkt. Meine Solidarität hat Adelheid Schulz und ich will nicht, daß man sich von ihr solch ein Bild macht.

Gisela Wülffing