Nach „cruise missile“ jetzt „strike eagle“

Nach Informationen der Trier AG Frieden (AGF) will die amerikanische Luftwaffe 200 Atombomber des Typs F-15E („strike eagle“) in Bitburg stationieren / AGF: Skandalöse Verletzung des INF-Abkommens  ■  Von Hans Thomas

Trier (taz) - Die erste Hürde nahm er souverän, als er beim berüchtigten Flugtag im englischen Farnborough nicht gleich nach dem Start wieder auf die Erde fiel. Im Gegenteil, der neue Atombomber F-15E „strike eagle“ (schlagender Adler) aus dem Hause McDonnell Douglas hinterließ bei der Kritik trotz seiner mehr als zehn Tonnen schweren Bombenlast „flugeigenschaftsmäßig einen starken Eindruck“ und ließ, wie die Rüstungszeitschrift 'Flug-Revue‘ berichtete, schon damals, 1981, die Fachwelt nicht an der Karriere des Bombers zweifeln.

Zwei Jahre später zeigte der Adler erneut die Krallen und setzte sich in einem Vergleichsfliegen gegen den Konkurrenten von General Dynamics durch. Die US-Air Force war überzeugt und gab den Zuschlag für 392 F-15E Bomber. Jetzt verdichten sich die Hinweise, daß sich auch die Bevölkerung in der Eifel demnächst ein eigenes Bild über den Atombomber „für jedes Wetter“ ('Flug-Revue‘) machen kann. Nach Informationen der Trierer „Arbeitsgemeinschaft Frieden“ (AGF) will die amerikanische Luftwaffe den „Adler“ auf ihrem Stützpunkt in Bitburg ansiedeln.

Die F-15E „strike eagle“ ist nach einer jetzt vorgelegten Dokumentation amerikanischer, deutscher und englischer Quellen eine Bomberversion der nicht-atomaren F-15 C/D Abfangjäger, die durch die neuen „Adler“ abgelöst werden sollen. Einziger Stationierungsort der konventionellen F-15 C/D in Europa ist das 36.Taktische Kampffliegergeschwader der US-Luftwaffe in Bitburg (Eifel). Dort stehen zwischen 70 und 80 dieser Maschinen. Das stets gut informierte britische Rüstungsmagazin 'Jane's Defence Weekly‘ folgert in seiner Ausgabe vom 20.August vergangenen Jahres: Nach zwingender Logik müsse der neue Atombomber entweder auf einem völlig neu zu schaffenden Stützpunkt stationiert werden, oder - das bei weitem naheliegendere - auf der Bitburger Basis, wo die Infrastruktur für diesen Flugzeugtyp bereits gegeben ist. Die Sprecherin der Bitburger Base dementiert die Vermutungen nur halbherzig. In Bitburg sei von einer Stationierung bislang nichts bekannt, die Air-Base sei jedoch nicht die Stelle, an der die Entscheidungen getroffen würden. „Wir sind für Politik nicht zuständig“, befand sie. Entgegen der offiziellen Pentagon-Version, wonach über eine Stationierung in Europa überhaupt noch nicht entschieden sei, zitiert die AGF den britischen 'The Stateman‘, der im Oktober über eine Anhörung im amerikanischen Kongress berichtet hatte. Dort soll die Air-Force eine Skizze vorgelegt haben, aus der eindeutig die Bundesrepublik und Großbritannien als Stationierungsorte hervorgingen. Argwöhnisch wird inzwischen von den Bewohnern der Dörfer um die Bitburger Luftwaffenbasis herum die Forderung der Amerikaner betrachtet, ein rund fünf Hektar großes Waldstück neben der Einflugschneise der bislang einzigen Rollbahn abzuholzen, „aus Sicherheitsgründen“, wie es heißt. Selbst CDU -Bürgermeister wundern sich seit Tagen öffentlich darüber, daß die 150jährigen Bäume, die seit Jahrzehnten nicht mehr gewachsen sind, ausgerechnet in dem Augenblick, wo Spekulationen um den neuen Atombomber auftauchen, plötzlich die Flugsicherheit gefährden sollen. Mit der Stationierung der, nach Recherchen des englischen Friedensforschers Dan Plash, 200 geplanten Bomber soll nach AGF-Informationen 1992, möglicherweise aber auch schon in diesem Jahr begonnen werden, um „die durch den Abzug der INF-Waffen verringerte atomare Schlagkraft zu erhöhen“, wie eine andere Washingtoner Quelle vermerkt.

Rechtzeitig zu diesem Termin rechnet McDonnell Douglas mit der Auslieferung der ersten Atombomber an die Luftwaffe noch in diesem Jahr. Das Horrorarsenal des „Adlers“ umfasst mehr als zehn Tonnen verschiedenster Waffen: Freifallende Atombomben, Brandbomben und sogenante „atomare Abstandswaffen“, „Luft-Boden-Lenkwaffen“ und eine „sechsläufige Vulcan-Kanone“. Besondere politische Brisanz erhält das Stationierungsvorhaben durch die Reichweite des Bombers. Wird der Aktionsradius der „atomaren Abstandswaffen“ mitgerechnet, kann die F-15E ihre Bombenlast exakt so weit transportieren, wie die gerade erst abgerüsteten „cruise missile„-Mittelstreckenraketen. Die AGF sieht darin eine „skandalöse Verletzung“ des INF -Abrüstungsabkommens, könnten die neuen Atombomber aus der Eifel doch die gerade aus dem wenige Flugminuten entfernten Hunsrück frisch in die Schrottpresse gelangten Mittelstreckenraketen quasi ersetzen.