Alpha-Jets sind beim Angriff blind

■ Militärs sind nach wie vor im Erklärungsnotstand hinsichtlich der Ursachen der Abstürze von Wiesmoor und Remscheid

Bonn/Hannover/Wuppertal (taz/dpa) - Das Tiefflug-Unglück von Wiesmoor, bei dem in der vergangenen Woche bei einem Zusammenstoß dreier Kampfjets zwei Menschen starben, ist noch nicht abschließend ausgewertet. Dies teilten die Militärs gestern dem Bonner Verteidigungsausschuß mit. Die Alpha-Jets der Bundeswehr haben nach jetziger Darstellung einen Übungsangriff auf Oldenburg geflogen. Für erhebliche Aufregung im nichtöffentlichen Ausschuß sorgte die Information, daß die Jets bei eingeschaltetem Angriffsradar nicht mehr in der Lage sind, andere fliegende Objekte wahrzunehmen. Deutlich wurde darüber hinaus, daß nicht einmal die mögliche Radarkoordination in den Leitzentralen funktionierte. Wie der britische Tornado in das Übungsgebiet gelangen konnte, vermögen die Militärs ebenfalls noch nicht zu erläutern. Offenkundig wurde, daß der „Übungsangriff“ lediglich mit dem örtlichen Geschwaderkommandanten abgestimmt war, nicht mit anderen Flugverbänden oder alliierten Stellen.

Auch zur Katastrophe von Remscheid bleiben die Militärs manche Antwort schuldig. Beherrschend war das Bemühen, den Unfall nicht als Ergebnis eines Tiefflugs erscheinen zu lassen. Die Flughöhe wurde im Ausschuß mit 3.000 Fuß angegeben - allerdings über Meeresspiegel. Berücksichtigt man freilich den bei Remscheid liegenden Höhenzug mit einer Höhe von etwa 450 Metern, flog die Unglücksmaschine nur noch knapp 300 Meter hoch. Bei der Katastrophe, die sechs Tote forderte, war der ungeübte und nicht von einer Leitzentrale geführte Pilot in ein Wolkenfeld geraten und hatte die Kontrolle über den Jet verloren. Skandalös auch die Beteiligung der Bundeswehr an der von den Amerikanern betriebenen Aufklärung des Unglücks. Der zuständige General Griese hat immer noch nicht alle Unterlagen einsehen dürfen. Positiv hob er hervor: „Ich durfte auch Fragen stellen.“ Daneben würde auch eigenes Verschulden deutlich. Griese gestand zu, er habe bislang einen Teil der Protokolle auch nicht angefordert.

In einer aktuellen Stunde des niedersächsischen Landtags zu Tiefflügen und zum Bomabsturz in Wiesmoor hat Innenminister Josef Stock versprochen, sich beim Bundesverteidigungsminister „für eine Halbierung der Belastung durch Tieflüge“ in Niedersachsen einzusetzen. Diese Belastung hänge allerdings nicht nur von der Zahl der Tiefflugstunden, sondern auch von der Flughöhe ab. Man müsse mehr Flugsimulatoren einsetzen, Tieflüge ins Ausland und in Gebiete über der See verlagern, die Tieffluggebiete entzerren und leisere Triebwerke konstruieren. Wer für die Verteidigung der BRD sei, könne allerdings nicht für die Abschaffung der Tieflüge sein, sagte der niedersächsische Innenminister.

Die Forderung nach einer neuen Verteilung der Tiefflüge über dem Bundesgebiet nannte der SDP-Fraktionsvorsitzende Gehard Schröder „völlig unsinnig“. Nur eine Einstellung der Tiefflüge sei die gebotene Lösung. Man solle diese Flüge zunächst für ein Jahr aussetzen und in dieser Zeit eine neue Verteidigungskonzeption ohne Tiefflüge entwickeln.

Im Zusammenhang mit dem Absturz einer US-Militärmaschine auf ein Remscheider Wohngebiet hat die Wuppertaler Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen militärische und zivile Mitarbeiter der Flugsicherung in Nörvenich und Düsseldorf eingeleitet. Auf diese Weise soll geklärt werden, ob das Unglück hätte vermieden werden können.

Wie der Leitende Oberstaatsanwalt Friedhelm Gabriel auf Anfrage mitteilte, gebe es jedoch kein Ermittlungsverfahren deutscher Behörden gegen den als Rottenführer verantwortlichen US-Piloten, aus dessen Verband das Flugzeug abgestürzt war.

gu/ü.o.