Staatsanwalt schont Lauschrichter

Die Ermittlugen gegen drei Bad Kreuznacher Richter und einen Oberstaatsanwalt wurden eingestellt / Sie hatten einen Entlastungszeugen in einem Strafprozeß telefonisch überwachen lassenß  ■  Aus Koblenz Fabian Fauch

Der rheinland-pfälzische Generalstaatsanwalt Hans-Joachim Ulrich ermittelt nicht mehr gegen drei Richter am Bad Kreuznacher Landgericht und den dortigen Leitenden Oberstaatsanwalt in Sachen „Lauschangriff auf Verteidiger“. Der Straftatbestand der „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ (Paragraph 201 Strafgesetzbuch) sei nicht erfüllt. Zwar seien laut Ulrich die Telefonate eines Angeklagten mit seinen Verteidigern und auch die eines Entlastungszeugen mit seinem Rechtsanwalt abgehört worden. Doch all dies sei gemäß Strafgesetzbuch (StGB) und Strafprozeßordnung (StPO) geschehen.

Die Vorgeschichte: Der Angeklagte Horst W. mußte sich vom 11. Mai bis zum 18.November 1988 vor dem Bad Kreuznacher Landgericht verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, sein Wohnhaus per Gasexplosion fast vollständig zerstört zu haben, um von der Versicherung 1,2 Millionen Mark zu kassieren. Horst W. wurde zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt - unter anderem wegen „Brandstiftung und vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion“. Der Angeklagte hat Revision eingelegt, über die der Bundesgerichtshof befinden muß.

Am 13.Juni sagte der Zeuge Lothar N. unter Eid Entlastendes zum Fall W. aus. Gericht und Staatsanwaltschaft aber hegten den Verdacht, die Aussage sei unwahr und mit dem Angeklagten abgesprochen. Der Leitende Oberstaatsanwalt Hermann Hillebrand beantragte daraufhin, die Telefone des Angeklagten und des Zeugen zu überwachen, um einer etwaigen Absprache auf die Schliche zu kommen. Am 15.Juni gab die Strafkammer Hillebrands Antrag statt.

Doch das Lauschen erbrachte keine Indizien für Absprachen. Die Aktion wurde am 6.Oktober - nach mehr als drei Monaten abgebrochen, die Betroffenen aber erst am 23.November 1988, fünf Tage nach der Urteilsverkündung, unterrichtet. Zeuge Lothar N. und dessen Rechtsanwalt Wolfgang Maus erstatteten am 9.Dezember Strafanzeige gegen Hillebrand und die Richter der 2.Strafkammer. Sie sahen die Vertraulichkeit des Wortes durch den „Lauschangriff“ auf den Zeugen verletzt. Dieser war keiner Straftat beschuldigt, die ein Abhören nach StPO gestattet hätte. Zu solchen „Katalogtaten“ zählen etwa „Hochverrat“, „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ oder die „gemeingefährliche Straftat“ der „schweren Brandstiftung“.

Mit Letzterem rechtfertigte Ulrich das Abhören der Telefone des Horst W. Den Zeugen N. sahen die Strafkammer und Ulrich dagegen nicht als Täter, sondern als „Nachrichtenübermittler“. Und der dürfe auch abgehört werden, sofern anzunehmen ist, daß er vom Angeklagten „Mitteilungen entgegennimmt“.

Doch der Chef-Ermittler gesteht ein: „Es ist technisch nicht möglich, von vornherein einzelne Gespräche auszusondern.“ Alles kommt automatisch aufs Band. Da könnten andere Personen - etwa Verteidiger - „in die Überwachung geraten“.